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Glashaus

Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gray
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anderer? Zweifellos. Und wenn schon nicht für den Rest der Welt – und ganz bestimmt nicht für jene vier Tiere, die DAS angetan hatten – dann schon für Aziza und ihn.
    „ Younas?“
    In Azizas Augen glänzten winzige Tränen.
    „ Tu mir das nicht an. Alles, nur das nicht.“
    Als Younas sich jetzt erhob, tat er es so mühevoll krumm und steif wie ein um Jahrzehnte älterer Mann.
    Er griff nach dem öligen Lappen über Halifs Waffen, schlug ihn zurück und einen langen Augenblick fürchtete er sich vor der Sicherheit, mit der seine Hände anschließend Schloss, Kammer und Abzug der Pumpgun überprüften.

2 / 4. 9. 2000, 20 Uhr 30 – 22 Uhr 10
    20 Uhr 30. Boyle stand vorm Spiegel in Tommy Grafs Bad und pappte ein Pflaster auf seine Stirn.
    Tommy selbst verpasste dem Arzt, den er vor zwanzig Minuten gerufen hatte, einen flüchtigen Kuss auf den Mund. Der Arzt war keine achtundzwanzig und sah aus wie ein Filmstar.
    „ Das Pflaster hat was, Boyle. Sexy – echt.“
    Boyle schnitt eine Grimasse. Tommy flüsterte dem Arzt etwas zu und versetzte ihm einen Klaps auf den Hintern. Der Arzt lächelte und begann seine Gerätschaften in eine dunkle Tasche zu packen.
    „ Ich dachte, Du hättest was mit `nem Geiger von der Oper.“
    Tommy schloss hinter dem Arzt die Tür und ließ sich breitbeinig auf dem Wannenrand nieder.
    „ Fagott. Ist aber trotzdem vorbei.“
    Boyle knöpfte sein Hemd zu. Im Waschbecken waren rötliche Schlieren. Sein Blut. Er konnte den Anblick nicht ertragen. Nicht jetzt. Nicht in dem Wissen WER und WIE für die Platzwunde auf seiner Stirn gesorgt hatte.
    Tommys Bad war nur um ein paar Quadratmeter kleiner als Saschas gesamte Wohnung. Eine Sekunde versetzte es ihm einen Stich. Wie alles hier war es großzügig, peinlich sauber und zu teuer für einen Bullen. Doch noch etwas bewies das Bad: Unter Tommys gespielter Toleranz und Nonchalance verbarg sich irgendwo auch ein mieser kleiner Pedant.
    „ Ich will wissen was los ist, Boyle. Und verarsch mich bloß nicht. Das hab ich nicht verdient.“
    Boyle schloss den vorletzten Knopf seines Hemdes.
    „ Zwei Typen in einem silbernen Benz. Sie hängen die Kelle raus und fischen mich von der Straße. Kein Grund zur Panik. Alles ganz normal. Wir halten auf dem Standstreifen. Einer steigt aus, der andere bleibt sitzen. Ich suche nach meinen Papieren. Der Kerl klopft an mein Fenster. Ich lass es runter. Der Kerl legt mir ne Wumme an die Schläfe und zwingt mich auszusteigen. Draußen knallt mir Nummer zwei den Kopf aufs Autodach. Tritt mir die Beine weg. Ich liege im Dreck. Nummer Eins hält mir seine Wumme an den Hinterkopf. Nummer zwei richtet schöne Grüße von Färber und Saleki aus. KLICK. Als ich wieder voll da bin ist der Benz lange weg. So in etwa.“
    „ Scheinhinrichtung.“
    „ Scheinhinrichtung.“
    Tommy zog die Nase kraus.
    „ Irgendwas stinkt hier…“
    „ Ich. Ich hab mir vorhin in die Hose gemacht.“
    Klopfen.
    Beider Köpfe, die unisono zur Badtür herumfuhren. Der Arzt, ein Telefon in der Hand.
    „ Für Dich, Tommy. Becker oder so ähnlich.“
    Tommy nahm den Hörer entgegen und meldete sich. Sein Gesichtsausdruck: Zuerst leise genervt, dann erstaunt und schließlich höchst konzentriert.
    „ Moment.“
    Tommy nahm den Hörer vom Ohr, bedeckte dabei den Lautsprecher mit seiner Hand.
    „ Das glaubst Du nicht. Der Alte hat `ne Urlaubssperre verhängt. Sie suchen nach Dir. Du bist schon ab heute zu Mord versetzt. Ich auch. Stillers Sohn liegt mit `nem Loch im Kopf auf der Straße bei seinem Haus. Stiller will uns als Ermittler dabei haben. Die Jungs von Mord müssen im Dreieck springen.“
    Dr. Carl Stiller war seit ungefähr einem halben Jahr Polizeipräsident. Nach allem, was man im Präsidium über ihn hörte, galt er als der kommende Mann im Innensenat. Alles, was Boyle darüber hinaus von ihm kannte, war ein Zeitungsfoto auf dem er lächelnd seine Ernennungsurkunde entgegennahm.
    „ Was soll ich Becker sagen, Boyle?“
    Boyle dachte an die gepackte Reisetasche und das Flugticket auf dem Tisch im Flur. Doch er dachte auch an Sascha und das Kind, das in ihr heranwuchs. Bestimmt hatte er sich noch längst nicht damit abgefunden. Aber immerhin war da in ihm eine verschwommene Vorstellung vom Schmerz und den für immer enttäuschten Hoffnungen, die der Tod eines Kindes bei seinen Eltern auslösen musste.
    „ Gib ihn mir.“
     
    Keine zwanzig Minuten nach dem Telefonat in Tommy Grafs Wohnung lenkte Boyle Tommys Dienst-Opel um eine

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