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Glashaus

Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gray
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Nieselregen, der wie mit feinen Nadel in die Haut seines Gesichts stach.
    Er umrundete den Toyota, öffnete den Kofferraum. Das breite abgearbeitete Gesicht des Mannes in dem roten klapprigen Passat hinter ihm. Schmale, müde Augen, die träge seinen Bewegungen folgten.
    Younas, der die abgesägte Zwölfer Schrotflinte, das Ersatzmagazin für die 7.65er Walther aus dem Kofferraum nahm, die Flinte über die Schulter hängte, sich dann in die Nacht aufmachte.
    Der breitgesichtige Mann, in dem klapprigen Passat, dessen glotzender Fischblick einen Augenblick träge an Younas klebte und dann brach – mit einer einzigen fließenden Bewegung verschwanden Kopf und Oberkörper des Mannes am Boden des Passat.
    Sie würden ihn jagen und fangen. Younas würde den Rest seines Lebens im Knast verbringen. Er würde nicht da sein um zuzusehen wie Sertab auf ihrer Hochzeit tanzte. Er würde seine Enkel das erste Mal durch ein Gitter sehen. Immer vorausgesetzt natürlich, dass sich denn überhaupt irgendein Mann fand, der es mit einer wie Sertab versuchen würde, einer, über die vier Kerle hinweg gegangen waren. Einer, die nie wieder werden konnte wie sie einmal gewesen war. Einer, deren Vater im Knast saß, statt ihr einen Mann zu suchen. Einer, die vielleicht seit gestern Nacht – was? In ihrem ganz eigenen Gefängnis gefangen war.
    Vor ihm ein abgeerntetes dunkles Stück Feld, am Horizont begrenzt von trügerisch blinkenden Lichtern.
    Younas sprang über den Graben. Fiel dabei hin. Doch er rappelte sich wieder auf.
     
    2 Uhr 13. „Was macht Dich eigentlich so sicher, dass Halif weiß wo sich dieser Typ heute Nacht herumtreibt? Er muss Dutzende Dealer überall in der Stadt zu laufen haben.“
    Teddy Amin lenkte den schweren BMW gekonnt in eine schmale Parklücke am Rand einer kaum beleuchteten Straße, voll von den Schatten einer Doppelreihe heruntergekommener Mietskasernen, an deren Ende sich wie eine gleißende Verheißung auf bessere Zeiten die hypermodernen Betonbauten der Universitätskliniken erhoben.
    „ Was verdient ein Kleindealer – vier, fünfhundert im Monat, wenn er gut ist und auch noch Glück hat?“
    Teddy zog den Schlüssel des BMW ab. Boyle beantwortete sich seine Frage selbst.
    „ In der Akte über diesen Jungen steht, dass seine Mutter `ne arbeitslose Ex-Prostituierte ist, er aber einen nagelneuern X3 fährt und einen Zwei–Karäter-Brilli im Ohr trägt. Das ist mit einem bisschen Schulhofdealerei nicht zu machen. Da läuft Größeres zwischen den beiden. Mit soviel Asche auf Tasche ist der Junge mindestens Capo bei Halif. Halif ist `n Kontrollfreak. Glaub mir, der weiß jederzeit wo sich seine Capos gerade herumtreiben.“
    Teddy griff unter den Fahrersitz zog eine dunkel mattierte Neunmillimeter Glock hervor, steckte sie in den Hosenbund und zog das T-Shirt drüber.
    Widerwillig überprüfte auch Boyle seine Waffe und drückte dann sanft die Wagentür zu.
    Es gab die Sozialwohnungssiedlungen am Stadtrand. Triste Betonburgen voll gestopft mit einem Völkergemisch, wie es selbst das biblische Babel zu seinen besten Zeiten kaum gekannt haben konnte. Und es gab Halif Kahns Königreich Klein Kurdistan, das trotz seines irreführenden Namens nicht von Kurden bewohnt war, sondern sich seit zwei Generationen fest in türkischer Hand befand.
    Es bestand aus zwei parallel verlaufenden schmalen Straßenzügen. Die von schmalbrüstigen vierstöckigen Mietskasernen gesäumt waren, denen sich ein unübersichtliches Gewirr von Hinterhäusern und Höfen anschloss. Man konnte in Halifs Königreich geboren werden, aufwachsen, zur Schule gehen, sein Leben lang arbeiten, heiraten, Kinder kriegen und wieder sterben, ohne dabei jemals irgendein deutsches Amt mit dem bürokratischen Beweis seiner Existenz zu belästigen.
    Für die Beamten des Achten Reviers, das für diese Gegend zuständig war, bildete Klein Kurdistan Exterritoriales Gebiet. Alle paar Jubeljahre verfiel zwar irgendein Bonze im Präsidium oder dem Senat auf die Idee auch in Klein Kurdistan die Hoheit des Staates wiederherzustellen – aber gab regelmäßig sein Vorhaben spätestens nach ein paar Wochen frustriert wieder auf.
    Knapp zweihundert Meter die schmale Straße herunter bis zu Halif Kahns Haus.
    Halif Kahns Haus war das letzte in der langen Reihe und, wie die anderen, ein schmuckloser vierstöckiger Kasten mit Fenstern so einladend wie Schießscharten. Was es von den anderen Häusern Klein Kurdistans jedoch bereits rein äußerlich unterschied, waren

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