Glashaus
das Metalltor, das Nachtlicht und die beiden Videokameras, deren Objektive wie matte Raubtieraugen summend jeder Bewegung auf Bürgersteig und Straße folgten.
2 Uhr 20. Younas kannte diese Gegend. Er hatte im vorletzten Sommer ganz in der Nähe gearbeitet. Da war das Stück Brachland, das irgendwo weit rechts von ihm an eine schmale asphaltierte Straße grenzte, welche schließlich auf den zwischen halbfertige Vororthäuser geklotzten S-Bahnhof stoßen musste, an dem er seinerzeit mitgebaut hatte.
Mit ein bisschen Glück musste er die letzte Nachtbahn Richtung Kulmhorst erreichen. Von dort aus konnte es nicht mehr weit zu seinem letzten Ziel sein.
Angesichts der Erinnerung an das pummelige Mädchen vorhin auf dem Parkplatz der Disko, machte sich beim Gedanken an die Freundin, bei der sein letztes Opfer angeblich seine Freitagnächte zu verbringen pflegte, ein flaues Gefühl im Magen breit. Andererseits war er aber auch bereits viel zu weit gegangen, um sich jetzt noch von irgendwelchen unwillkommenen Zeugen abschrecken zu lassen.
So oder so versuchte er sich zu beruhigen, eines Tages würde sie ihn vielleicht wenn nicht verzeihen oder vergessen, so doch wenigstens verstehen können. Dann nämlich, wenn sie erfuhr wozu der Junge, mit dem sie ihr Bett teilte, sonst noch fähig sein konnte. Und erfahren würde sie es. Was das anbetraf war er ebenso sicher, wie Regen nass ist und Schnee kalt.
Tiefe Pfützen und Schlammspuren durch die hindurch er sich seinen Weg über das Brachland bahnte. Sein Mantel, die Schuhe und Hosen waren nach nur wenigen Metern von hellem klebrigem Lehm befleckt.
5 / 5. 9. 2000, 2 Uhr 21 – 4 Uhr 22
2 Uhr 22. Nicht einmal der Widerhall des Klingeltons war aus dem Haus zu Boyle und Teddy auf die Straße heraus gedrungen.
Ein Impuls – Boyle stieß gegen das Tor, dessen linker Flügel leise aufschwang und den Blick in eine hell beleuchtete Durchfahrt und den dahinter halb im Schatten verborgenen Hof freigab.
Beide Männer zogen ihre Waffen und schlüpften nacheinander durch den schmalen Spalt in die Durchfahrt.
Kaum hörbar drang von irgendwo aus dem Haus Musik.
Rechts von ihnen die Stufen zur Eingangstür des vierstöckigen Vorderhauses. Auch sie – offen.
Seine Waffe fest an den Oberschenkel gepresst, rief Boyle laut Halifs Namen in den düsteren Flur.
Teddy langte nach einem Lichtschalter. Die plötzliche Helligkeit, sobald er den Schalter gefunden und betätigt hatte.
Da waren schimmernde Schlieren auf dem hellen Fliesenboden des Treppenhauses.
„ Mist.“
Teddy beugte sich herab.
„ Das ist Blut.“
Boyle war an Teddy vorbei zum Treppenaufgang getreten. Auch hier blutrote Spuren, die sich von einer offen stehenden Tür auf dem ersten Treppenabsatz herunter bis zum Flur zogen.
Teddy gab die Betrachtung der Blutschlieren auf und trat durch die Eingangstür zurück in die Durchfahrt.
„ Hier draußen ist auch welches.“
Boyle folgte Teddy nach draußen und war bei jedem seiner Schritte sorgsam darauf bedacht, nicht in eine der rötlichen Schleifspuren zu treten, die sich vom Hauseingang über den Hof hinweg bis zu einer Tür im Hinterhaus zogen.
Das Hinterhaus und der ehemalige Schuppen der Mietskaserne beherbergten Halifs Lagerräume und die Fleischerei, in der das Grundprodukt seiner offiziellen Geschäfte hergestellt wurden: Auf Spieße gezogenes Dönerfleisch.
Eine Nachtlampe, die - sobald sich etwas regte - auch hier plötzlich aufleuchtete und den Hof und die Gebäude in runde Flecken grellen klar umrissenen Lichts zerteilte, um die herum weiterhin tiefe Schatten lagen.
Die Fleischerei: helle, in ihrer Sauberkeit an Operationssäle erinnernde Räume, voll fremdartiger, metallisch glänzender Geräte. Doch inmitten all der klinischen Reinheit auch hier ein Netz aus im Neonlicht rötlich leuchtender Fäden.
Teddy und Boyle durchsuchten jeden Raum der Fleischerei und der sich ihr anschließenden Dönerfabrik, einschließlich der Waschräume und Umkleide der Arbeiter, doch - fanden nichts.
Einen Raum hatten sie bisher noch ausgelassen: das Kühlhaus.
Hier endlich fanden sie den Verursacher der Blutspuren.
Man hatte der Gestalt mit irgendeinem Gegenstand das Gesicht zertrümmert, die Kleider vom Leib gerissen, ihr mit einem sauberen Schnitt den Brustkorb geöffnet, dann eine Kette um den Hals gelegt und sie anschließend wie ein Stück Schlachtvieh zwischen ausgekühlte Rinderhälften an einem Haken an die niedrige Decke des Kühlhauses gehängt.
Ströme von
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