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Glasklar

Glasklar

Titel: Glasklar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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rebellierte, im Schädel rauschte das Blut.
    »Entschuldigen Sie die späte Störung«, begann er das Gespräch, nachdem sie an einem ovalen Holztisch Platz genommen hatten. Eine Wanduhr über dem Küchenblock zeigte kurz nach 19 Uhr. Spät war das zwar nicht – aber für einen kriminalpolizeilichen Besuch am Sonntag zumindest eine ungewöhnliche Zeit. Katrin Fellhauer blickte unruhig um sich. »Tun Sie nur, was Sie tun müssen«, sagte sie, um sogleich nachzufragen: »Darf ich Ihnen etwas zum Trinken anbieten?«
    Speckinger lehnte ab. Er wollte das Gespräch nicht unnötig in die Länge ziehen. Und dass diese Frau kaum neue Erkenntnisse zum nächtlichen Geschehen liefern würde, schien ihm klar zu sein. Nur einmal war ihr Name gefallen – so jedenfalls hatte er es auf seinem Notizblock im Auto nachgelesen. Die Neussers hatten gesagt, Katrin habe sie nach der Uhrzeit gefragt – und das sei gegen 1 Uhr gewesen.
    »Ich frage Sie, was ich heute schon viele gefragt habe«, gab sich Speckinger entspannt. »Mich interessiert das Ende der gestrigen Feier Ihrer ehemaligen Schulfreunde. So ab 1 Uhr hat das Fest sich wohl aufgelöst.«
    »Fragen Sie mich bitte nicht nach Uhrzeiten. Ich lebe zeitlos.« Sie hob ihre Handgelenke, die nur dünne goldene Kettchen, aber keine Uhr erkennen ließen.
    »Aber einmal haben Sie nach der Uhrzeit gefragt«, kam Speckinger sofort auf den Punkt. »Bei den Neussers.«
    »Stimmt, ja. Haben die Ihnen das schon gesagt?«
    Der Kriminalist ging nicht auf diese Frage ein. »Und wie lange waren Sie danach noch dort – schätzungsweise?«
    Katrin Fellhauer presste die Lippen zusammen und zuckte mit den schmalen Schultern. »Schwer zu sagen«, meinte sie und blickte über ihre viel zu klobige Brille hinweg. »Nicht mehr allzu lange, denke ich. Vielleicht eine Dreiviertelstunde oder so.« Sie griff zu der filigranen Blumenvase, in der sich einige Margeriten befanden, und begann, das Gefäß zu drehen.
    »Und dann sind Sie allein gegangen?«
    Die Frau sah ihn mit ausdruckslosen Augen an. »Ja, allein, natürlich. Warum?«
    »Ist nur so eine Frage. Weil …«, Speckinger suchte nach einer vorsichtigen Formulierung, »weil es für eine Frau nicht unbedingt üblich ist, dass sie mitten in der Nacht allein durch den Wald geht. Ich nehme an, Sie mussten runter zum Gairenbuckel, zum Parkplatz?«
    Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Ihnen dürfte bekannt sein, was vergangene Nacht da oben los war.« Der Klang ihrer Stimme stand in krassem Widerspruch zu dem Lächeln, befand Speckinger.
    »Ist mir nicht entgangen«, erwiderte er gelassen. »Es hat wohl einen starken Besucherandrang gegeben. Sowohl oben auf dem Berg als auch drüben am Hexensattel.«
    »Eben. Da brauchen Sie keine Angst zu haben – auch nicht als Frau.« Ganz so selbstbewusst, wie es klingen sollte, hörte es sich nicht an.
    »Sie sind dann runtergegangen«, stellte der Kriminalist resümierend fest.
    Katrin überlegte einen Augenblick. »Nicht gleich, nein.«
    »Was heißt das?«
    »Ich bin noch herumgelaufen. Die Nacht war hell«, erklärte sie. »Haben Sie schon mal so eine mondhelle Mittsommernacht erlebt?«
    Speckinger wollte nicht darauf eingehen und verdrängte den Gedanken, dass er gerne einmal wieder einen Nachtspaziergang gemacht hätte. »Sie sind spazieren gelaufen – einfach so?«
    »Ja«, erwiderte sie und drehte weiter die Vase hin und her. »Überall haben noch Feuer gebrannt – und es waren viele Leute da.«
    »Und wie lange sind Sie noch rumgelaufen?«
    »Eine halbe Stunde, vielleicht auch länger. Wenn Sie diese Atmosphäre genießen wollen, denken Sie nicht an die Zeit. Nächte wie diese sind voller Leben.«
    Speckinger stimmte zu. Sie hatte recht. Solche Nächte waren voller Leben – doch zumindest einem Menschen hatte die vergangene Nacht das Leben gekostet.
    »Haben Sie etwas Auffälliges bemerkt – oder jemanden getroffen?«
    »Getroffen ja – wie ich doch schon sagte: Es waren noch einige Menschen unterwegs um diese Zeit.«
    »Haben Sie mit jemandem gesprochen?«
    Sie zögerte und sah den Kriminalisten verwundert an. »Nein. Sollte ich denn?«
    »Ist Ihnen ein Auto aufgefallen?«
    »Da waren viele Autos, ja, klar. Aber wenn Sie mich nach Fahrzeugtypen oder Autonummern fragen, muss ich passen.«
    »Oder ein Zelt?«
    »Ein Zelt?« Die Frau rückte ihre Brille zurecht. »Nein …, soweit ich mich entsinne, nein.«
    »Auch sonst nichts Verdächtiges?«
    »Wie ich doch schon gesagt habe: Es war alles ganz

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