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Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)

Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)

Titel: Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Meurer
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schrecklicher Gedanke durchfuhr sie. War sie ein Baustein in einem abgekarteten Spiel? Hatte es Amadeo schon seit dem vorgeblichen Selbstmord vor dem Pergamon-Museum darauf abgesehen, sie in sein Reich zu locken? Nach der ersten Schrecksekunde fing sie sich. Aber nein. Zu viele Zufälle waren damit verbunden, dass sie sich überhaupt in Berlin aufhielt.
    Wie dem auch sei. Nun befand sie sich in der gleichen Situation wie Amadeo. Sie konnte Gott spielen. Die Möglichkeiten, die sich ihr boten, reichten an ein Übermaß heran. Sie fühlte sich erschlagen. Kleine Dinge zu ändern, Noten zu verbessern, Träume zu ermöglichen und zu helfen, war unglaublich schön. Andererseits spürte sie die warnende Stimme in sich. Jede Handlung wird von einer Reaktion der Umwelt begleitet. Die Veränderung eines Lebensweges beeinflusste zig andere.
    Ihre Euphorie versickerte. Diese Fähigkeit war mächtig. Camilla konnte nicht sagen, ob sie in der Lage war, der Verführung dieser Macht standzuhalten.
    Sie umklammerte Chris fester und schmiegte sich an ihn.
    »Ich kenne deine Gefühle, weiß, was du denkst und vorhast.« Er klang ernst, fast tadelnd.
    Christoph ging nicht weiter auf ihre Überlegungen wegen dieser Fähigkeit ein. Stattdessen lächelte er aufmunternd, wirkte allerdings erschöpft. »Du solltest dich nicht von deinem Weg abbringen lassen.«
    »Du meinst mein … Vorhaben?«, fragte sie vorsichtig.
    Chris nickte. »Wir müssen herausfinden, was Amadeo verschweigt. Nathanael ist vielleicht die einzige Informationsquelle.«
    Camilla war froh, die Taschenlampe von Grimm mitgenommen zu haben. Zum ersten Mal, seit sie hier angekommen war, konnte sie gut sehen. Sie leuchtete über den Boden. Um ihre Füße krabbelte Ungeziefer. Der Gedanke, dass sie noch vor ein paar Stunden hier gekniet hatte, bereitete ihr Unbehagen. Um sich davon abzulenken, sah sie sich genauer um. Nathanael hatte eine bestimmte Richtung eingeschlagen. Sie leuchtete über den Boden und die Wände. Kurz zuckte die steile Leitertreppe durch ihr Sichtfeld. Dahinter schloss sich ein schmaler Flur an. In diesem Teil des Hauses richtete das Gewicht des herabdrückenden Gebäudes nur geringen Schaden an. Wände und Fachwerk waren unversehrt. Chris trat in den Lichtkegel. Er ging in die Knie und hob die metallene Spiegelscherbe, die Camilla im Kampf gegen Grimm genutzt hatte, auf. Eine Weile wog er sie in der Hand.
    »Deine Waffe.«
    Camilla nickte. »Sie hat sich gegenüber Grimm als unbrauchbar herausgestellt.«
    Dennoch hatte der Polizist geblutet, als sie ihn nah des Auges verletzte. Wie konnte das sein? Als sie ihm die Scherbe zweimal in den Bauch rammte, trat dort nur transparente Flüssigkeit aus. Möglicherweise war er so etwas wie ein Cyborg, eine Mischung aus Mensch und Maschine. In der heutigen Medizin wurden Arm- und Bein-Prothesen genutzt. Aber ausgerechnet der Torso? Sie schüttelte den Kopf. Angesichts der Tatsache, dass Nathanael Roboter baute, die eine Seele in sich trugen, war es aber nicht auszuschließen, dass er ein Mischwesen erschuf. »Wäre es möglich, dass Grimm Mensch und Maschine ist? Sozusagen ein Zwischenstadium?«
    Chris zog die Brauen zusammen. »Wenn du recht hättest, wäre er ein ziemliches Wunder.« Mit einer Hand strich er sich die ungekämmten Haare aus der Stirn. »Das würde bedeuten, dass Nathanael ausreichend medizinische Kenntnisse haben muss, um auf einem Niveau mit der modernen Medizin zu arbeiten. Er müsste wissen, wie man Nanotechnologie einbaut und nutzt. Zusätzlich zu dem medizinischen und technischen Hintergrund müsste er auch in der Lage sein, die psychologischen Folgen, die ein solcher Mensch unweigerlich erleidet, auszugleichen.« Großer Ernst lag in seinen Augen. »Das würde ein ganz anderes Bild des Sandmanns erschaffen. Er wäre eher genial als verrückt.«
    Camilla klappte erst nach Sekunden den Mund zu. Einen solchen Redefluss war sie von Chris nicht gewohnt. »Meinst du, dass er etwas Vergleichbares schaffen könnte?«
    »Wahrscheinlich schon. Er war Ingenieur. Sicher reichte es ihm nicht mehr, Maschinen zu beleben. Das würde auch erklären, weshalb vielen ermordeten Mädchen und Frauen Körperteile fehlten.«
    Die Leichenpuppe. Eine Woge der Übelkeit überrollte sie. Es handelte sich also nicht nur um einen Horroreffekt, den Grimm in ihre Vision einpflanzte, sondern um die Realität. Das Ding gab es wirklich. Sie presste die Hände gegen die Lippen. Nathanael musste doch weitaus verrückter

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