Glaub nicht es sei vorbei
verrotten.«
»Ach Clay, das ist ja widerlich.«
»Der Tod ist widerlich. Da versucht man sein Leben lang dazuzulernen, sich weiterzubringen, dann fällt man tot um und wird Futter für die Würmer.« Nach einer Pause sagte er: »Ich mache es dir mit meinem Gerede nicht gerade leicht, die Gruft zu besuchen, was?«
»Ich versuche, nicht zuzuhören.«
»Das ist auch das Klügste, was du tun kannst, wenn ich meine philosophischen Anwandlungen habe.«
»Philosophisch nennst du das? Ich fand es eklig.«
»Ich habe nie behauptet, ich sei Plato oder einer dieser Burschen, die den ganzen Tag grübelnd irgendwo herumsitzen. Ich bin nun mal zum Malochen gezwungen.« Er hielt inne. »Da sind wir schon. Die Familiengruft der Ryans. Es ist, als stünden wir vor dem Taj Mahal. «
»Das soll wohl auch so sein.« Rebekka ging die Stufen hinauf und zog am Griff der schmiedeeisernen Tür. »Verdammt, ich hab vergessen, dass es immer abgeschlossen ist.«
Rebekka blickte auf den schlanken Rosenstrauß, den sie im Geschenkeladen erstanden hatte. Sie hatte nicht darauf geachtet, dass er von einem Band zusammengehalten wurde, auf dem in goldenen Lettern auf weißem Grund die Worte »Auf baldige Genesung« zu lesen waren. Sie konnte schlechten Geschmack beweisen und das Band an seinem Platz lassen, oder es fortnehmen und die einzelnen Rosen lose in den Bronzebehälter stecken, der seitlich an der Mauer der Gruft angebracht war. Sie entschied sich für den schlechten Geschmack.
»Kein Gebet?«, fragte Clay, als sie sich abwandte.
»Ich glaube nicht, dass die Toten unsere Gebete brauchen. Nur die Lebenden brauchen Hilfe.« Sie blinzelte in die Sonne. »Da kommt Mr. Hale.«
Avram Hale kam ihnen forschen Schrittes entgegen, in Anzug und Krawatte. Er war Ende sechzig, maß eins neunzig und hielt sich außerordentlich gerade. Er war ein Afroamerikaner mit auffallend weißem Haar und kümmerte sich seit dreißig Jahren um den Friedhof. Er lächelte und reichte Rebekka die Hand. Rebekka machte ihn mit Clay bekannt.
»Oh, einer der exklusiven Bellamys.« Mr. Hale grinste. »Keiner von denen liegt hier begraben; haben ihren eigenen Privatfriedhof auf der Farm. Aber ich bin sicher, Sie sind trotzdem in Ordnung.«
Clay lächelte. »Offen gestanden, finde ich den Familienfriedhof zum Fürchten. Ich glaube, dass ich mit der Familientradition brechen und mich hier begraben lassen werde, wenn Sie einverstanden sind, Sir.«
Avram lachte leise. »Mir soll's recht sein, junger Mann. Hätte da 'nen ziemlich hübschen Fleck anzubieten, mit Blick auf einen kleinen Bach.«
»Er will sich verbrennen lassen«, sagte Rebekka.
»Auch schön. Dann begraben wir eben seine Urne. Auf diese Weise braucht er weniger Platz.« Mr. Hale sah Rebekka an. »Wollen Sie in die Gruft, Miss Ryan?«
»Eigentlich schon, aber ich habe keinen Schlüssel.«
»Ich würde Ihnen meinen holen, aber er ist in meinem Büro, und gleich beginnt die Beerdigung von Skeeter Dobbs.«
»Hier?«, fragte Clay überrascht.
»Gleich da drüben.« Mr. Hale deutete auf eine kleine Gruppe von Menschen, die sich neben einer Eiche versammelt hatten. »Mr. Edgar Moreland bezahlt das Begräbnis. Ist das nicht nett von ihm? Natürlich ist es nur eine ganz schlichte Feier. Nur Father Brennan, der eine kurze Ansprache hält, und meine Frau Chloe, die eine Hymne singt. Möchten Sie uns Gesellschaft leisten?«
Rebekka blickte auf ihre verbundenen Handgelenke und war plötzlich gehemmt. »Oh, ich glaube nicht.«
»Gern«, fiel Clay ihr ins Wort. »Komm schon, Rebekka, lass uns von Skeeter Abschied nehmen und Mrs. Hale singen hören.«
Clay würde nicht zulassen, dass sie vor Verlegenheit menschenscheu wurde wie in ihren Teenagerjahren. Er nahm ihren Arm und ging mit ihr zum Begräbnis. Der Sarg war aus billigem Metall und mit Gänseblümchen verziert. Nur drei kleine Blumenkränze ruhten neben dem Sarg. Fünf Menschen standen eng beisammen, als suchten sie aneinander moralischen Beistand. Rebekka konnte Bill zwar nicht sehen, hatte aber das Gefühl, als sei er ganz in der Nähe. Sie kannte Edgar und Helen Moreland. Mr. Moreland hatte noch unter ihrem Großvater in der Buchhaltung von Grace Healthcare gearbeitet.
Matilda Vinson sah klein und verängstigt aus in ihrem, viel zu weiten hellblauen Kleid. Sie ließ ihre blauen Augen immer wieder zu Rebekka hinüberwandern. Es musste ein ziemlicher Schock für sie gewesen sein, Skeeters Leiche vor ihrer Ladentür zu finden. Wahrscheinlich wusste sie
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