Glaub nicht es sei vorbei
gelingen, Todd zu finden.
Sean hatte sich in einer Ecke zusammengerollt, versuchte sich unsichtbar zu machen, um die Festlichkeit nicht verlassen zu müssen. Frank war die Liebenswürdigkeit in Person, und Suzanne übte sich in der Rolle der Gastgeberin, während sie Frank hin und wie der kokett zulächelte und ihm liebevolle Blicke zuwarf. Er schien ihrem Sinneswandel noch nicht so ganz zu trauen. Clay und Doug redeten leise miteinander. Clay nickte, überließ Doug die Entscheidung, welche Themen akzeptabel waren. Lynn schlich misslaunig durchs Zimmer. Rebekka fragte sich, wie sie über Matilda Vinsons Tod dachte. Sie wusste, dass sie ihre Chefin nicht gemocht hatte, aber irgendetwas musste sie ja empfinden. Hatte sie vor, dem Begräbnis beizuwohnen?
Esther stellte sich in Mollys Nähe. Niemand sprach über Todd. Suzanne sagte zu Molly, die längeren Haare stünden ihr gut, und Molly zeigte den. Anflug eines Lächelns. Esther trank Mineralwasser, während Molly sich auf Rebekkas Anregung hin für Wein entschieden hatte. Aber Rebekka bemerkte, dass sie viel zu häufig und zu schnell zu ihrem Glas griff, wahrscheinlich aus Nervosität, und überlegte sich eine subtile Möglichkeit, sie zu bremsen. Jemanden daran zu hindern, allzu eifrig dem Alkohol zuzusprechen, war in diesem Haus ja eine vertraute Pflicht, dachte Rebekka. Frank und Betty mussten es inzwischen zu wahrer Meisterschaft darin gebracht haben.
Molly bat gerade um ein drittes Glas Wein, als Betty zu Rebekkas Erleichterung ankündigte, dass das Essen fertig sei. So begab sich die gesamte Gesellschaft ins Speisezimmer, wo Porzellan, Kristall und Silber im Kerzenlicht anheimelnd schimmerten. Rebekka bemerkte, wie Sean sich unauffällig in die Küche verdrückte, um seinen gewohnten Platz zu Walts Füßen einzunehmen.
Fünfzehn Minuten später aßen sie zartes Kalbsragout mit Tomatensauce. Frank schien die Mahlzeit zu genießen, war jedoch ziemlich schweigsam. Lynn aß übellaunig und mechanisch. Molly schob die Gabel mit abwesender Miene in den Mund. Clay, Doug, Suzanne und Esther unterhielten sich angeregt, und Rebekka war ihnen dankbar, weil sie spürte, wie sich hinter ihrem rechten Auge ein dumpfer Schmerz ankündigte. Sie verspürte auch ein leichtes Unbehagen, das den Schmerz noch steigerte. Dieser Zustand leitete für gewöhnlich eine Vision ein Vielleicht würde sie endlich mehr über Todd erfahren.
»Rebekka, deine breiten Armreifen verdecken die Verbände fast vollständig«, gab Lynn von sich und schob sich eine Gabel voll Röstkartoffeln in den Mund. »Hat dieser Typ dir tatsächlich die Pulsadern aufgeschlitzt?« Doug warf ihr einen strafenden Blick zu, aber sie ignorierte ihn.
»Nur ein bisschen«, erwiderte Rebekka beiläufig. »Nichts Ernstes. «
»Warum er das wohl getan hat?«
»Ich glaube kaum, dass irgendeiner von uns die Gehirnwindungen dieses Menschen begreifen will. Ich für meinen Teil habe keine Lust, hier bei Tisch über ihn zu sprechen. Und das geht wohl allen so«, sagte Esther mit Nachdruck. »Welche Pläne hast du für dein neues Geschäft, Lynn? Hast du schon genügend Inventar, um die Regale zu füllen?«
Lynn war eingeschnappt, weil niemand auf sie eingegangen war. Doch Esthers Köder war perfekt. Lynn taute sofort auf, beschrieb ihre jüngste Keramik und wie sie das Innere des Ladens gestalten würde. Dougs Züge entspannten sich. Molly nahm, sichtlich erleichtert, einen weiteren Schluck Wein zu sich. Clay zwinkerte Rebekka zu. Suzanne legte ihre Hand auf die von Frank.
Als Betty den Nachtisch servierte — Mandelbaisers —, war Rebekkas Kopfschmerz intensiver geworden. Frank war während des Essens zweimal ins Badezimmer gegangen, hatte aber allen versichert, dass es ihm gut gehe, dass er lediglich zu viel Flüssigkeit in sich angesammelt hätte wegen der vielen Infusionen im Krankenhaus. So schien niemand etwas aufzufallen, als Rebekka sich entschuldigte.
Sie ging auf ihr Zimmer, befeuchtete im Badezimmer einen Waschlappen mit kaltem Wasser, legte ihn sich auf die Stirn und streckte sich auf dem Bett aus. Einen Augenblick später stand sie noch einmal auf, schaltete ihren Radiowecker ein und legte sich wieder hin. Keine Musik. Nur der Wetterbericht. Schönes warmes Sommerwetter mit Temperaturen bis zu ...
Die Vision traf sie völlig unvermittelt. Sie wand sich vor Schmerzen, zog die Beine an. Ihr hübsches Zimmer verblasste, die Stimme aus dem Radio rückte in weite Ferne. Um sie herum wurde es dunkel.
Ganz in
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