Glaub nicht es sei vorbei
ich bin Arzt«, sagte Clay gelassen. »Ich weiß, womit ich es zu tun habe. Jetzt lassen Sie mich bitte zufrieden.« Er wandte sich an die kleine Menschentraube, die sich um Rebekka gebildet hatte. »Bitte, gehen Sie wieder an Ihre Plätze zurück.« Und sie gehorchten wie ein paar verängstigte Tiere, während Clay Rebekka an den Schultern fasste und schüttelte. »Becky, komm zurück! Sofort!«
Aber Todds Gedanken hielten sie immer noch fest. »Warum tust du das?«, fragte er den Krieger. »Ich hab dir doch nichts getan!«
»Du bist jetzt still! Kein Wort mehr über Rebekka! Hör auf, an sie zu denken. Und bete, dass sie dich nicht findet, denn sonst siehst du deine Mutter nie wieder!«
»Nein, bitte ... «
»Ich hab die Schnauze voll von dir.« Der Krieger knebelte ihn unsanft. Speichel floss ihm aus dem Mund, als er auf den zähen Stoff biss, der vom langen Gebrauch schon ganz durchnässt war. »Ich glaube, du solltest jetzt ein Nickerchen machen. Ein hübsches, langes Nickerchen.« Nach kurzer Pause sagte er noch: »Du warst ein böser Junge, kannst von Glück sagen, wenn ich dir nicht zu viel Medizin spritze. Zu viel von der Medizin könnte dich für immer schlafen lassen. Würde dir das gefallen? Hier im Dunkeln zu sterben, wo dich nie jemand finden wird?«
Todd wimmerte, als die Nadel durch seine Haut drang. Das Letzte, was er hörte, waren die grauenvollen, durchdringenden Klagelaute von etwas, das genauso verloren und verletzt in der Dunkelheit lag wie er.
»Rebekka! Rebekka!«
Mit einem Ruck kehrte sie wieder in ihre Welt zurück und riss in ihrem Schrecken das Tuch vom Tisch. Porzellanteller und Gläser zerschellten auf dem Boden. Essensreste und Wein ergossen sich über ihr Kleid, über Clays Anzug und den apricotfarbenen Satinbezug ihres Stuhls. Eine Frau schrie auf. Der Mann, der den Notarzt hatte rufen wollen, lauerte immer noch in der Nähe. Andere Gäste starrten entsetzt in ihre Richtung.
Zitternd begann Rebekka hektisch, sich mit einer Serviette die Flecken vom Kleid zu wischen. »Herrje«, murmelte sie matt. »Sieh nur, was ich angerichtet habe! Es tut mir so Leid!«
Clay nahm ihr die Serviette aus der Hand. »Das ist doch nicht so schlimm. Lass uns nach draußen gehen. Kannst du stehen?«
»Ich bin nicht sicher. Ich habe das Gefühl ... « Als würde ich den Verstand verlieren, wollte sie sagen, aber da tauchte Peter Dormaine auf, hochrot im Gesicht und mit verrutschter Krawatte.
»Wie ist denn das passiert? Herrje! Das Porzellan! Der Stuhl! Was für ein Schlamassel!« Er war sichtlich außer sich, hatte sich aber schnell wieder in der Gewalt, nur sein abscheulicher französischer Akzent war ihm abhanden gekommen. »Hatte sie Zustände?«
»Ich glaube, dass die Menschen seit Königin Viktorias Tagen keine Zustände mehr hatten«, bemerkte Clay trocken. »Sie fühlt sich nicht wohl. Rebekka ... «
»Ich kann stehen«, sagte sie hastig und sprang auf. Hühnchenreste fielen zu Boden, und ihr Kleid troff von Wein. Noch nie hatte sie eine Vision in aller Öffentlichkeit gehabt. »Es tut mir so Leid, Mr. Dormaine. Ich werde natürlich für den Schaden aufkommen. Ich ... ich weiß nicht ... bitte entschuldigen Sie.«
Dormaine rang sich ein säuerliches Lächeln ab. »Nun ja, so etwas kann passieren«, sagte er in einem Ton, der seine Worte Lügen strafte. »Ich hoffe, es geht Ihnen schon besser«, fügte er unbeholfen hinzu.
»Ja, danke.« Rebekka strich sich das feuchte Haar aus dem Gesicht. »Alles in Ordnung.«
Die Leute starrten sie an, als sei sie eine Verrückte. Sie glaubte, jeden Moment in Tränen auszubrechen oder in Ohnmacht fallen zu müssen. Clay legte schützend den Arm um sie, und sie lehnte sich etwas entspannt an seinen starken Körper. Er sah den aufgeregten Mr. Dormaine gelassen an. »Wir werden uns um den Schaden kümmern, Peter. Gute Nacht.«
Clay hatte sich nicht entschuldigt. Im Gegenteil, er schien die Verwüstung, die sie angerichtet hatte, vollkommen zu ignorieren. Und Rebekka hatte nicht mehr das entsetzliche Gefühl, ihn hoffnungslos blamiert zu haben. Es hätte ihr den Todesstoß versetzt.
Die Nachtluft draußen war erfrischend kühl, der Himmel klar und von Sternen übersät. Rebekka holte tief Luft. »Es tut mir so Leid, Clay ...«
»Ich will nichts davon hören. Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest. Aber auf einer Sache muss ich bestehen.«
»Und die wäre?«
»Du kommst mit zu mir, trinkst einen Cognac oder schluckst ein
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