Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
Neffe ihres Mannes, und er stellte eine potentielle Gefahr für ihre Kinder dar. Wenn er Mignon die Unterhaltszahlungen streichen wollte und nicht daran glaubte, dass Nicholas dauerhaft clean war, dann hätte er Bernard Fairclough unter Umständen dazu bringen können, dass er seine Kinder nicht länger finanziell unterstützte. Und Valerie Fairclough hat sich laut Aussage von Constable Schlicht an dem Abend äußerst merkwürdig verhalten: wie aus dem Ei gepellt, vollkommen ruhig, ein Anruf bei der Polizei und die lapidare Aussage: In meinem Bootshaus schwimmt ein Toter.«
»Stimmt«, räumte Lynley ein. »Aber der Anschlag könnte auch ihr gegolten haben.«
»Wo wäre das Motiv?«
»Mignon sagt, ihr Vater ist fast nie da. Meistens hält er sich in London auf. Havers kümmert sich darum. Falls mit der Ehe der Faircloughs jedoch irgendetwas nicht stimmt, könnte Bernard doch Gründe haben, sich seine Frau vom Hals zu schaffen.«
»Und warum lässt er sich nicht einfach scheiden?«
»Wegen der Firma. Er leitet Fairclough Industries seit Ewigkeiten, und er würde sicher eine enorme Abfindung bekommen, falls das vertraglich so geregelt ist – es sei denn, es gibt irgendeinen Ehevertrag, von dem wir noch nichts wissen. Aber noch gehört die Firma ihr, und ich nehme an, dass sie jedwede Entscheidung, die die Firma betrifft, beeinflussen kann, wenn sie will.«
»Ein Grund mehr, warum sie Ians Tod gewünscht haben könnte, Tommy, falls er auf Entscheidungen gedrungen hat, die ihr nicht gefielen.«
»Möglich. Aber wäre es aus ihrer Sicht nicht sinnvoller gewesen, dafür zu sorgen, dass Ian gefeuert wurde? Warum hätte sie ihn umbringen sollen, wenn sie die Macht besaß, ihn einfach an die Luft zu setzen?«
»Also gut, was haben wir?« St. James erinnerte Lynley daran, dass das Filetiermesser, das sie aus dem Wasser geborgen hatten, keinen einzigen Kratzer aufwies und auf den ersten Blick vollkommen harmlos aussah. Auch an den Steinen, die sie aus dem Wasser geholt hatten, waren keine Kratzspuren zu erkennen, die darauf hingedeutet hätten, dass jemand sie herausgelöst hatte. Sie konnten Constable Schlicht noch einmal zum Bootshaus bitten und auch die an der Untersuchung beteiligten Tatortspezialisten, doch dazu müssten sie erst den Coroner überreden, den Fall wieder aufzurollen. Nur hatten sie ihm so gut wie nichts zu bieten, was ihn dazu animieren könnte, Ian Cresswells Tod noch einmal zu untersuchen.
»Wir müssen uns alle Beteiligten noch einmal vornehmen«, sagte Lynley.
»Was bedeutet, dass ich dir nicht länger von Nutzen bin«, sagte St. James.
Ehe Lynley darauf antworten konnte, klingelte sein Handy. Er warf einen Blick aufs Display. »Das ist Havers. Vielleicht kann sie uns auf die Sprünge helfen.« Er klappte das Handy auf und sagte: »Sagen Sie mir, dass Sie etwas Entscheidendes zutage gefördert haben, Sergeant, denn wir rennen hier in eine Sackgasse nach der anderen.«
ARNSIDE – CUMBRIA
Alatea war früh nach draußen gegangen, um Blumenzwiebeln zu pflanzen, denn sie wollte ihrem Mann aus dem Weg gehen. Sie hatte die halbe Nacht wachgelegen, geplagt von unruhigen Gedanken, und beim ersten Morgengrauen war sie aus dem Bett geschlüpft und in den Garten geschlichen.
Auch Nicholas hatte schlecht geschlafen. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht.
Das war ihr zum ersten Mal beim Essen am Abend zuvor bewusst geworden. Nicholas hatte lustlos in seinem Essen herumgestochert, hatte sein Fleisch kleingeschnitten und auf dem Teller hin und her geschoben, die Kartoffelscheiben säuberlich gestapelt wie Pokerchips. Auf ihre Frage hin, was ihn bedrücke, hatte er nur vage gelächelt und geantwortet: »Hab heute einfach keinen richtigen Appetit.« Schließlich hatte er seinen Teller von sich geschoben, war in den Salon gegangen, hatte sich kurz auf die Bank am offenen Kamin gesetzt, war wieder aufgesprungen und im Zimmer auf und ab gegangen wie ein Tiger im Käfig.
Als sie sich schlafen gelegt hatten, war es noch schlimmer gewesen. Ängstlich hatte sie sich ihm zugewandt, ihm eine Hand auf die Brust gelegt und gefragt: »Nicky, was ist los? Sprich mit mir.« Dabei fürchtete sie in Wirklichkeit seine Antwort mehr als ihre eigenen rastlosen Gedanken und wohin sie gingen, wenn sie ihnen freien Lauf ließ. »Nichts«, hatte Nicholas geantwortet. »Wirklich, Liebling, es ist nichts. Ich bin einfach nur müde. Und vielleicht ein bisschen mit den Nerven runter.« Und als er den entsetzten Blick bemerkt
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