Glauben Sie noch an die Liebe
Liebe meinten?
Noch bis vor Kurzem ist ihr diese Liebe wohl verborgen geblieben. Früher hat sie nur über ihren Körper kommuniziert. Sie konnte nie etwas mit Menschen anfangen, und zwar aus einem einfachen Grund. »Ich kann das nicht«, hat sie immer gesagt. »Und weißt du, warum? Eigentlich bin ich völlig langweilig, im Grunde genommen ein Nichts.« Jetzt wird sie aber selber alt und muss ihre Sexualität langsam zurückfahren, weil sie sich nicht mehr so attraktiv fühlt. Früher sagte sie, sie sei ein Glückskind. Jetzt erst merkt sie, dass das nicht stimmt.
Wenn jetzt bei ihr diese Erkenntnis eintritt, könnten Sie sich dann nicht versöhnen? Glauben Sie noch an die Liebe?
Ich habe sie ja nie abgelehnt. Ich habe nur immer gesagt, dass ich diese Dinge anders sehe.
Was würden Sie Ihrer großen Liebe jetzt gerne sagen, wenn Sie die Chance dazu hätten?
Wenn du älter wirst, wirst du einen neuen Weg finden. Ich wünsche dir, dass du auch dahin findest, wohin ich gehe.
MICHEL FRIEDMAN
»Es wird Sie glücklicher machen, Ihre Bedürfnisse zu leben, auch wenn die Gesellschaft Sie stigmatisiert«
Das Telefon klingelt. »Hier ist Monsieur Friedman«, sagt eine Stimme, »Sie hatten mir eine E-Mail geschickt. Wir können dieses Interview machen, Ihnen sollte nur klar sein, dass ich keine Auskunft über mein Privatleben gebe.«
Das ist er also. Monsieur Friedman, der Moderator, der Politiker ohne Amt, der Mann, dessen Privatleben vor einigen Jahren in aller Öffentlichkeit besprochen wurde. Die Staatsanwaltschaft war bei Ermittlungen im Rotlichtmilieu auf einen Frankfurter Anwalt gestoßen, der unter dem Pseudonym Paolo Pinkas ukrainische Zwangsprostituierte für Sex bezahlt und mit ihnen Kokain geschnupft hatte. Michel Friedman war Paolo Pinkas. In einer Pressekonferenz am 8. Juli 2003 verkündete Friedman seinen Rücktritt als Vizepräsident des Zentralrats der Juden und bat seine Lebensgefährtin Bärbel Schäfer – »die ich über alles liebe« – um Verzeihung. »Menschen machen Fehler, Menschen irren sich. Auch ich habe Fehler gemacht, auch ich habe mich geirrt«, sagte Friedman. Ausgerechnet Friedman, sagten damals viele, der Moralist, der oberste Ankläger unserer Fernsehrepublik, ausgerechnet der: selbst ein Schuldiger, ein Angeklagter.
Friedman, der Monsieur, will also nicht mehr über den Paolo Pinkas von damals reden. Später, als wir ihn dennoch auf das Thema Ehebruch ansprechen, wird er unsere Gesellschaft dafür kritisieren, dass sie betrogene Ehefrauen zur Scheidung anstiftet. Bevor wir zu diesem Thema kommen, beginnen wir das Gespräch mit einem Kompliment.
Herr Friedman, wir möchten Ihnen ein Kompliment machen.
Komplimente sollte man nicht überbewerten.
Wir müssen vorausschicken, dass wir, anders als Sie, sehr schlecht sind im Komplimentemachen.
Sie sind dann schlecht im Komplimentemachen, wenn Sie die Komplimente nicht wirklich so meinen. Ich meine Komplimente wirklich so, deshalb habe ich kein großes Problem damit. Komplimente sind schadlos. Wenn ich sagen würde: Sie stellen sehr interessante Fragen, dann ist das schadlos. Es sei denn, Sie sind so narzisstisch verblendet, dass Sie mir mein Kompliment wirklich glauben. Würde ich das merken, und wir würden trotzdem so weitermachen, und wir wären ein Liebespaar, dann hätten wir ein Problem zu besprechen. Ansonsten: Es tut doch nicht weh, ein Kompliment zu machen, da bin ich Franzose.
Unser Kompliment an Sie war, dass wir ein wenig neidisch sind auf Ihre Wortgewandtheit. Wären wir so eloquent wie Sie, es würde uns das Kennenlernen von Frauen unheimlich erleichtern.
Dieses Kompliment sagt etwas über Sie aus, nicht über mich. Es zeigt außerdem, dass Sie mich nicht kennen.
Wir kennen Sie nur aus dem Fernsehen, aus Ihren Sendungen. Sie können ein bissiger Journalist sein, aber auch ein Meister des Charmanten. Wir hingegen sind früher nicht selten ins Stottern geraten, wenn es darum ging, eine Frau galant zu unterhalten.
Aber natürlich. Was denn auch sonst? Wem geht das nicht so? In tief emotionalen Momenten ist die Sprache immer hilflos.
Man kann sich gar nicht vorstellen, dass Sie sprachlos wären.
Natürlich weiß man immer, was man sagen kann, aber das ist nicht der entscheidende Impuls in Situationen, in denen man nicht weiß, was man sagen soll. Ich war immer ein schüchterner Mensch.
Sie – schüchtern? Wir hätten Ihnen zugetraut, dass Sie schon mit siebzehn so wortgewandt waren, dass Sie jede Frau auf einer
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