Gleichklang der Herzen
Mann.“
„Sie hätte die Angelegenheit mit mir besprechen sollen, anstatt einfach Reißaus zu nehmen.“
„Und du hättest auf ihre Argumente gehört?“
Diese Frage beantwortete der Herzog nicht. Stattdessen sagte er: „Du wusstest also, dass sie fort wollte. Hat sie dir gesagt, wohin sie geht?“
„Nein. Sie hat mir gar nichts gesagt“, erwiderte Richard. „Sie hat nur gesagt, sie würde sich etwas einfallen lassen.“
„Ich werde sie zurückholen.“
„Welchen Sinn hätte das? Sie wird sich deinen Wünschen nicht fügen, und ich, nun, ich habe Benedicta sehr, sehr gern, aber ich möchte sie nicht heiraten.“
Der Herzog sagte nichts, sodass Richard nach einer Welle hinzusetzte: „Das kann man von mir auch kaum erwarten, wenn man in Betracht zieht, dass sie in dich verliebt ist.“
Einen Augenblick war es ganz still. Die Miene des Herzogs bewirkte, dass Richard den Atem anhielt. Doch dann sagte der Herzog ganz ruhig und in völlig verändertem Ton: „Worauf stützt sich deine Vermutung?“
„Die Art, wie sie dich ansah, weckte in mir den Verdacht, und als ich sie fragte, hat sie es nicht geleugnet. Ich sagte ihr, du hättest geschworen, niemals zu heiraten.“
„Bist du sicher, dass sie in mich verliebt ist?“, fragte der Herzog ebenso ruhig wie vorher.
„Es wäre ein Wunder, wenn sie es nicht wäre“, sagte Richard herausfordernd. „Die meisten Frauen legen dir ihr Herz zu Füßen. Nur Benedicta ist so ganz anders, daher nehme ich an, dass es für sie ernster ist.“
„Ja, Benedicta ist so ganz anders“, wiederholte der Herzog, ehe er hinausging.
Vier Stunden später machte der Herzog sich ernsthaft Sorgen. Zunächst hatte er geglaubt, es würde ganz einfach sein, Benedicta zu finden, da er von der Annahme ausging, sie würde sich nordwärts wenden.
Wenn sie gleich nach der Beerdigung losgegangen war, musste sie sich noch immer auf dem Gelände von Kingswood befinden, es sei denn, sie ging schneller, als er annahm.
Wenn sie nicht die Postkutsche genommen hatte, die sie sich ja gar nicht leisten konnte, würde sie sich gewiss von der Hauptstraße fernhalten und querfeldein laufen oder Seitenpfade benutzen.
Je näher sie aber London kam, desto häufiger würde sie auf Wege und Straßen stoßen, die nicht ungefährlich waren, wie der Herzog sehr wohl wusste.
Bettler, Landstreicher, Halsabschneider, kurzum Gesindel jeglicher Art war in großer Zahl unterwegs und bedeutete für ein junges und schönes Mädchen wie Benedicta, das allein auf sich gestellt war, eine große Gefahr.
Das Gebiet, das der Herzog absuchen musste, war groß. Er war im Zickzackkurs hin– und hergeritten, um sicherzugehen, dass er jeden nach Norden führenden Weg erfasst hatte.
Er sprengte über Wiesen und über Felder, auf denen bereits ausgesät war, er durchritt Wälder und Lichtungen, ödes, unfruchtbares Land, auf dem nur Gestrüpp wuchs, sogar Sumpfland, das den Schnepfen als Brutstätte diente.
Er war sicher, dass Benedicta zu Fuß nicht allzu schnell vorankommen konnte, und doch hatte er den letzten Hügelkamm an der Nordgrenze seines Besitzes hinter sich gebracht, ohne eine Spur von ihr entdeckt zu haben.
Er durchritt eben eine kleine Senke und überlegte sich, wo er als Nächstes Ausschau halten sollte.
Den ganzen Nachmittag, jede Minute, die er auf der Suche nach Benedicta verbrachte, hatte der Herzog der Wahrheit ins Angesicht sehen müssen: Wenn er sie nicht fand, dann war alles, was in seinem Leben noch Bedeutung hatte, für immer verloren.
Er hatte lange gebraucht, um sich ehrlich einzugestehen, dass seine Gefühle für Benedicta nicht der Besorgnis und Zuneigung eines väterlichen Beschützers entsprangen, sondern der Liebe eines Mannes für eine Frau.
Er war so sicher gewesen, nie eine Frau wirklich lieben zu können, dass er hart gegen seine Gefühle und gegen den Ruf seines Herzens angekämpft hatte.
Jetzt aber wusste er, dass der Selbstbetrug zu Ende war. Er musste sich der Einsicht beugen, dass er verliebt war, so heftig verliebt, dass er seiner Gefühle kaum mehr Herr wurde.
Er musste sich eingestehen, dass Benedicta bereits ein Teil seines Daseins geworden war, dass er sie zur Frau haben und zur Mutter seiner Kinder machen wollte.
Der Herzog war zwei Jahre jünger gewesen als Richard jetzt, als er den Schwur getan hatte, unvermählt zu bleiben, damit keine Frau ihn zum Narren machen und seinem Namen Unehre bereiten könnte.
Es war ein Schock gewesen, der diesen Entschluss in
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