Gleichklang der Herzen
Hauptteil des Schlosses. Eine breite Treppe führte zu einem riesigen Portal. Darüber wölbte sich ein Dach, das von hohen korinthischen Säulen getragen wurde. Die Sonne spiegelte sich golden in den vielen Fenstern des Schlosses wider.
Romana sah die Standarte des Marquis auf dem Dach des Schlosses wehen.
„Wir sind da!“, sagte Mister Barnham, und seine Stimme drückte Zufriedenheit aus.
Romana wollte ihm sagen, dass sie sich fürchtete. Sie wäre am liebsten umgekehrt und wieder zurück nach London gefahren. Auf der breiten Treppe war ein roter Teppich ausgelegt, und an seinen Seiten hatten sich zahlreiche Lakaien in Kniebundhosen, goldverzierten Livreen und gepuderten Perücken aufgestellt.
Mister Barnham stieg zuerst aus der Kutsche und half Romana dann beim Aussteigen.
„Ich habe vergessen, Ihnen zu sagen“, flüsterte er ihr zu, „dass die Nachricht von der Heirat Seiner Lordschaft mit Ihnen hier in Sarne bekannt gegeben worden ist. Sie werden als Marquise von Sarne begrüßt.“
Nichts hätte Romana mehr entsetzen können als das. Sie wurde stocksteif und spürte, wie ihr Herz heftiger klopfte.
Der Kammerherr, der noch prächtiger gekleidet war als die anderen Diener, wartete in der Halle und begrüßte die Schlossherrin.
„Willkommen, Mylady! Ich möchte Ihnen im Namen aller Bediensteten von Sarne die besten Wünsche für Ihr und Seiner Lordschaft Glück aussprechen.“
„Ich danke Ihnen“, brachte Romana mühsam hervor.
Dann setzte sich der Kammerherr in Bewegung. Romana, mit Mister Barnham an der Seite, folgte ihm durch eine Reihe von Räumen, die so groß und überwältigend waren, dass sie sich kaum umzusehen wagte.
Dann, nach einem wie ihr schien endlosen Gang durch zahlreiche Räume, blieb der Kammerherr vor zwei hohen, kunstvoll geschnitzten Türen mit vergoldeten Handknöpfen stehen.
Sie traten in einen saalartigen Raum, und der Kammerherr rief mit feierlicher Stimme: „Die Marquise von Sarne, Mylord, und Mister Barnham.“
Romana zitterte vor Angst. Sie glaubte einen Augenblick, ihre Füße würden sie keinen Zentimeter mehr weiter tragen.
Der Gedanke, jeden Moment dem Marquis gegenübertreten zu müssen, war so entsetzlich, dass sie sich wünschte, der Boden würde sich unter ihr öffnen und sie verschlingen …
Doch ihr Stolz und ihre Selbstbeherrschung ließen sie weitergehen. Aber sie hielt den Blick gesenkt. So schritt sie auf den Mann zu, der sie erwartete.
Der Marquis hatte in Schloss Sarne eine unruhige Nacht verbracht.
Er war sehr früh aufgestanden, weil es ihm nicht gelungen war zu schlafen. Er hatte sich eines seiner temperamentvollsten und schwierigsten Pferde satteln lassen und war so lange geritten, bis er und das Tier völlig erschöpft waren.
Als er ins Schloss zurückkehrte, war es ihm unmöglich, etwas von dem für ihn bereiteten Frühstück zu essen. Stattdessen tat er etwas, was er noch nie in seinem Leben getan hatte: Er trank Brandy statt des Kaffees.
Nur der Alkohol konnte ihn jetzt ein wenig entspannen und seine Ängste und das Entsetzen über den Schicksalsschlag in Gestalt von Lord Kirkhampton mildern.
Er war plötzlich in ein Leben als verheirateter Mann hineingezwungen worden. Dabei hatte er geglaubt, dass eine Heirat für ihn noch in weiter Zukunft liege und er sich erst in späteren Jahren damit beschäftigen würde.
Aber nun war er verheiratet! Verheiratet mit einer Frau, die sein größter Feind für ihn ausgewählt hatte! An dieser Tatsache war nichts zu ändern. Und er musste dieser fremden Frau nun beibringen, wie sie sich als Marquise von Sarne zu benehmen hatte.
Der Marquis war ein Realist. Er unterschätzte die Aufgabe nicht, die vor ihm lag.
Während sich noch alles in ihm gegen diese Tatsache sträubte, wusste er doch schon, dass Barnham recht damit hatte, wenn er sagte, dass es keine Alternative gäbe. Nur so konnte er Kirkhampton den Triumph verderben.
Obwohl die neuesten Ausgaben der Zeitungen Times und Morning Post in der Bibliothek lagen, brachte er es nicht fertig, sie zur Hand zu nehmen und aufzuschlagen.
Er wusste, dass sein Sekretär es nicht versäumt hatte, die Anzeige von seiner Heirat nicht nur in der Londoner „Gazette“, sondern auch in allen anderen Tagesblättern aufzugeben.
Nun waren alle informiert. Die Öffentlichkeit wusste damit, dass der hartnäckigste und meistgefragte Junggeselle der Londoner Gesellschaft verheiratet war.
Der Marquis kannte ungefähr die Zeit, zu der Mister Barnham ankommen
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