Gleichklang der Herzen
kam im sechsten Jahrhundert unter dem aus dem Sanskrit stammenden Namen Chaturanga nach Persien“, erwiderte Benedicta. „Leider weiß man nicht, wann es nach England gelangte.“
Da sie glaubte, Richards Interesse geweckt zu haben, fuhr sie fort: „Es gibt eine interessante Geschichte über eine Schachpartie zwischen König Knut und Graf Ulf, in deren Verlauf Sie so heftig in Streit gerieten, dass der Graf das Brett umkippte und deswegen wenige Tage später auf Befehl des Königs in der Kirche ermordet wurde.“
Sie hatte Richard mit dieser Geschichte aufheitern wollen, stattdessen erbleichte er und schloss die Augen.
Da fiel ihr ein, dass es das Wort ,ermordet’ war, das ihn so aus der Fassung gebracht hatte, und sie fügte schnell hinzu: „Sie sind müde, Mr. Wood. Ich will Ihnen aus einem Buch vorlesen, das ich hier in der Bibliothek entdeckte, ein Buch über Insekten. Ob es Sie nun interessiert oder nicht, es gibt eine Gattung, die besonders schnell laufen kann und zu diesem Zweck mit zweiundzwanzig Beinpaaren ausgestattet ist.“
„Was für Taschendiebe zweifellos sehr nützlich wäre“, antwortete Richard lachend.
Der Herzog und Major Haverington waren nach London zurückgekehrt, und Benedicta, die Kingswood nach wie vor sehr reizvoll fand, hätte sich bestimmt einsam gefühlt, wäre da nicht Richard gewesen, mit dem sie sich unterhalten konnte. Ihr Vater war noch immer schwer krank.
Man flößte ihm nahrhafte Suppen ein und tat alles Menschenmögliche, doch er erkannte niemanden, sodass Benedicta zuweilen das Gefühl hatte, er wäre schon tot und hätte sie allein gelassen.
Gleichzeitig aber war für sie Kingswood, mit allem was dazugehörte, ungeheuer aufregend. Wenn sie sich nicht um die beiden Kranken kümmerte, steckte sie meist in der Bibliothek. Doch war sie dort nicht immer in ein Buch vertieft. Es kam vor, dass sie nur die Bücherreihen entlangschritt und ihre Hände zärtlich über die Bände gleiten ließ.
Mrs. Newall hatte eine ganze Garderobe für sie nähen lassen, wofür die vielen Rollen unbenutzten, auf dem Speicher aufbewahrten Materials verwendet wurden, wie sie sagte.
Benedicta hatte sogar ein hochelegantes Reitkostüm bekommen, das seinerzeit für eine Verwandte des Herzogs zugeschnitten und nie fertig genäht worden war.
Wenige Änderungen genügten, und es passte Benedicta wie angegossen. Wenn sie jetzt mit dem Herzog oder mit einem der Stallburschen ausritt, hatte sie das Gefühl, von der Pracht des Hauses und der Schönheit seiner Gartenanlagen nicht mehr allzu stark abzustechen.
Garten und Park wurden mit jedem Tag schöner. Das warme Wetter brachte Bäume und Sträucher zum Blühen.
Die rosa und weißen Blüten an den Pfirsich– und Mandelbäumen, die hängenden gelben Dolden des Goldregens, der lilafarbene Flieder, die ersten Blüten des roten Rhododendrons – sie alle erweckten in Benedicta das Gefühl, sie befände sich in einem Märchenland.
Als der Herzog nach seiner Rückkehr aus London Benedicta im Garten fand, da war ihm, als sei ihr Haar aus gesponnenem Gold, so schön sah es aus.
„Sie sind wieder da!“, rief sie aus. „Wie ich mich freue!“
„Sie haben mich vermisst?“, fragte der Herzog.
„Ohne Sie war das Haus so leer, und doch hatte ich manchmal in der Bibliothek das Gefühl, Sie wären da.“
Das sprudelte aus ihr heraus, ohne dass sie lange überlegte. Erst als sie den erstaunten Blick des Herzogs bemerkte, errötete sie.
„Hoffentlich finden Sie es nicht anmaßend, dass ich so viel Zeit in der Bibliothek verbrachte?“
Der Herzog, der glaubte, sie wäre aus einem anderen Grund verlegen geworden, antwortete: „Ich hatte Ihnen ja gesagt, dass meine Bücher nur darauf warten, Ihr Interesse zu finden. Hoffentlich haben Sie in meiner Abwesenheit die Gastfreundschaft von Kingswood auch in anderer Hinsicht genießen können.“
„Ich bin jeden Morgen ausgeritten“, berichtete sie. „Und ich hoffe, Sie werden finden, dass ich Fortschritte gemacht habe. Es ist schon so lange her, dass ich Gelegenheit hatte, auf einem anständigen Pferd zu reiten.“
„Worauf sind Sie denn geritten?“, fragte er belustigt. „Auf einem uralten Pony, das sich nur im Schneckentempo fortbewegte, und manchmal, wenn Papa das Tier brauchte, musste ich mich mit einem Esel begnügen.“
Der Herzog lachte lauthals.
„Verständlich, dass mein Stall eher Ihrem Geschmack entspricht.“
„Hier ist alles so wundervoll, dass ich manchmal zu träumen
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