Glencoe - Historischer Roman
gehörst?«
Sarah schüttelte den Kopf, ehe sie sich ermahnen konnte, dass es klüger war zu lügen.
»Was tut er, der Sohn vom roten MacIain? Säuft er und verspielt das Geld? Weißt du, wie viele Weiber das auszuhalten haben?«
»Nein!«, rief sie hastig. »Er säuft nicht.« Er schweigt.
»Eine Memme ist er wohl kaum. Da draußen nennen sie ihnden feurigsten Sturm der Rebellen. Der hat seinen König nicht betrogen und macht dir keine Schande.«
Darüber, dass irgendwer Sandy Og einen feurigen Sturm heißen konnte, hätte Sarah um ein Haar gelacht. Er ist klug und hat Angst. Wir können ja nicht mutig sein, wenn wir nicht Angst haben, und ich wollte ihm helfen, Mut zu fassen. Ich hab’s falsch angepackt. Es ist die andere, die’s kann, nicht ich.
»Sitzt ihm die Hand locker? Hast du allzu oft Prügel bezogen?« Helens verzerrtes Gesicht zuckte nach der Seite, das tat es häufig, wenn sie ein Wort nicht gleich bilden konnte, und ihre Stimme wurde leise, klang verwaschen. »Ist er einer, der dabei den Verstand verliert? Hat dich die Furcht gepackt, er prügelt dich blind oder tot?«
Jäh fiel Sarah ein, wie Sandy Og sie, als sie mit Duncan im Bauch gestolpert war, aufgehoben hatte und nicht wieder absetzen wollte, sondern darauf bestand, sie nach Hause zu tragen. Dabei lagen seine schweren Hände so sacht um ihren Leib, dass sie aus der Umarmung rutschte. Er solle fester zupacken, hatte sie gesagt, aber er hatte ihr entgegengehalten: »Davor hab ich Angst, Sarah. Wenn ich mit meinen Fingern eine Wurst packe, platzt gleich die Pelle.« Sie hatte so lachen müssen, dass ihr Körper sich schüttelte, und hatte bis zum Einschlafen nicht damit aufhören können.
Helen tippte ihr an die Schulter. »Mir kannst du’s anvertrauen.«
»Nein«, sagte sie.
»Was ›nein‹?«
»Er tut mir nicht weh.« Das war falsch. Aber richtig war es auch. Jean entwand sich Sarahs Armen, setzte sich neben sie und sah von einer zu andern.
»Du musst dumm wie Bohnenstroh sein«, sagte Helen. »So einen Glücksfall von Kerl zu verlassen: keine Prügel, kein Suff, keine Schande, und wenn’s Weiber gab, ist das ja wohl zu schlucken. Mit den Weibern treiben’s alle Männer.«
Alle Männer sind nicht meiner. Wenn ich ihm nicht wichtig bin, wenn ich ihm nicht fehle, muss ich gehen. Wieder merkte sie, wie sie mit ihren Gedanken an eine Grenze rannte wie gegen eine Wand: Ich hätte mit dem Kuss leben können. Ich hätte dich geohrfeigt, dass dir die Wangen glühen, dir die Augen nicht ganz ausgekratzt und dir vergeben. Aber damit, dass du zu Ceana gehst, wenn dir bang ist und dir der Himmel auf den Kopf stürzt, damit kann ich nicht leben. Wenn ich deine Qual nicht teilen darf, wird alles Glück, das wir teilen könnten, schal.
»He, hörst du mir noch zu?«
Sarah fuhr zusammen, nickte.
»Ich habe gesagt: ›So alt bist du noch nicht‹«, wiederholte die Tante. »›Und wenn er tot ist, bist du frei, einen andern zu nehmen.‹ Wir können hier im Tal einen für dich finden, keinen großen Herrn, der dich in Wolle bettet und faulenzen lässt – so einen hattest du ja, und der war dir nicht genug. Aber einen Witwer, der eine Frau für Hof und Kinder braucht und bei dem du dein Auskommen hast.«
»Mein Mann ist nicht tot.« Ja, er hat mich in Wolle gebettet, er hat mir von überall Decken gebracht. Aber faulenzen wollte ich nicht, sondern dass er mir erlaubt, für ihn da zu sein.
»Sei dir dessen nicht zu sicher.«
»Wessen?«
»Wenn er noch nicht tot ist, macht er’s nicht mehr lange. Der Bote von der Garnison hat’s mir erzählt. Dein Mann hat am Loch Linnhe ein Schiff überfallen. Er mag ja ein stinkender Viehdieb sein, aber ein Kerl mit Schneid, das muss man ihm lassen. Die Männer von meinem Robert haben ihn erwischt, er sitzt jetzt auf der Garnison ein, und wenn er da nicht verreckt, schicken sie ihn nach Glasgow an den Galgen.«
Als Sarah versuchte zu sprechen, glaubte sie, ihr Gesicht zucke ebenso wie das der Tante. Sie ertrug es nicht länger und sprang vom Bett. »Das ist ja nicht wahr! Es kann nicht sein.«
»Willst du mir etwa vorhalten, ich lüge? Oder Roberts Botelügt? Weshalb sollte er? Er hat’s mir aus reiner Gefälligkeit erzählt, als ich ihm meine Nachricht gab und deinen Namen nannte; diesem Burschen kann doch einerlei sein, wer auf der Garnison sein Fett wegkriegt.«
»Ja, ja, gewiss.« Kurz war Sarah abgelenkt, weil Jean an den Rand der Bettstatt gekrochen war und nach ihr griff. Sie überließ ihr
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