Global Warning
Rand des Ausstiegs knallte.
»Scheiße«, brüllte er, doch der Wind riss ihm die Worte aus dem Mund.
Jenna griff nach seinem Seil und versuchte, ihn daran hinabzulassen, um mehr Abstand zwischen ihn und den Rotor zu bringen, doch er stieß ihre Hand weg. Erin war sich vollkommen im Klaren darüber, dass er gerade unter einem künstlich erzeugten Wirbelsturm in der Luft hing und der Erdboden in seiner jetzigen Situation eindeutig die bessere Wahl war. Sich aus der relativen Sicherheit des gewaltigen Hubschraubers herauszuwagen, um sich in völliger Dunkelheit an einen dünnen Faden zu hängen, war jedoch nicht so einfach, wie er gehofft hatte.
Er lockerte seinen Griff um das Seil und ließ sich unbeholfen fallen. Sein Widerwille, sich von dem Hubschrauber zu entfernen, führte jedoch dazu, dass er die Füße auf den Kufen behielt und plötzlich kopfüber im Seil hing. Ungerührt packte Jenna einen seiner Fußknöchel, ließ sich fallen und benutzte ihr Gewicht, um ihn wieder aufzurichten. Dann war sie auch schon an ihm vorbei und verschwand in der Dunkelheit.
Erin folgte ihr zögernd. Er weigerte sich standhaft, einen Blick nach unten zu werfen, bis seine Füße schließlich die Äste eines Baums berührten - was für ihn das Nächstbeste nach festem Boden war. Anstatt sich abzustoßen und bis nach unten abzuseilen, kletterte er durch die Zweige und rutschte dann am Stamm des Baums hinunter.
»Gut gemacht«, log Jenna, die zu ihm rannte und ihm aus seinem Gurtzeug half. Erin legte den Kopf in den Nacken und sah nach oben, wo ein runder Schatten etwas zu schnell heruntersauste. Er kam mit einem Geräusch auf dem Boden auf, das an einen fallenden Sandsack erinnerte, und gleich darauf war eine veritable Schimpftirade zu hören.
»Mark! Alles okay?«, rief Jenna, die auf die am Boden liegende Gestalt zurannte, während Erin ihr folgte.
»Mir geht’s großartig«, sagte Beamon, während er versuchte, sich von dem Seil zu befreien, in dem er sich verheddert hatte. »Ich habe mich selten so gut amüsiert. Scheiße.«
Als er sich endlich wieder bewegen konnte, drehte der Hubschrauber ab und ließ sie in völliger Stille zurück. Zuerst schien es, als wären die Soldaten spurlos verschwunden, doch als Erin genauer hinsah, stellte er fest, dass die beiden letzten gerade mit der Baumgrenze im Norden verschmolzen.
»Sieht nicht gerade wie das Ende der Welt aus«, flüsterte Erin.
Die drei lagen zwischen dichten Bäumen und starrten auf ein würfelförmiges Gebäude aus Metall, das im Mondlicht schimmerte.
Sie hatten die Lichtung erst nach einem fast vierstündigen flotten Fußmarsch erreicht, und jetzt lag Beamon flach auf dem Rücken und rang mit kurzen, angestrengten Atemzügen nach Luft, die einen Moment wie Nebel vor seinem Mund hing, bevor sie vom Wind zerfetzt wurde. Die Wunde an seiner Wange, die Erin ihm beigebracht
hatte, war aufgeplatzt, und das Blut auf seinem Gesicht mischte sich mit Schweiß.
Jenna antwortete nicht, sondern konzentrierte sich stattdessen mit einer Intensität auf das Gebäude vor ihnen, die von der Gewissheit herrührte, dass dies ihre letzte Chance war. Es war genau das, was sie gesucht hatten - ein gut getarntes Gebäude über der Pipeline, die sie entdeckt hatten, und kilometerweit von den abgeriegelten Ölsandfeldern entfernt.
Bis auf Erin und Mark war kein Mensch zu sehen. Kein Lichtschein drang aus der einzigen Tür des Gebäudes, und die Soldaten, die gerade dabei waren, die Lichtung zu umzingeln, waren wie vom Erdboden verschluckt.
»Das ist es«, sagte sie leise. »Das muss es sein.«
Erin sah sie an, doch es war zu dunkel, um den Ausdruck auf seinem Gesicht zu erkennen. Die Verzweiflung in ihrer Stimme war nicht zu überhören, selbst für sie. Jenna weigerte sich, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass dies hier vielleicht wieder eines von Teagues cleveren Ablenkungsmanövern war. Oder dass sie zu spät kamen.
In der Dunkelheit und der Stille wäre es so einfach gewesen, sich in den Folgen ihrer Dummheit und Naivität zu verlieren. Es wäre so einfach gewesen, sich vorzustellen, wie die Maschinen zum Stillstand kamen, wie die Menschen auf der Suche nach Nahrung und Sicherheit die Städte verließen, wie das Chaos ausbrach, wenn sie feststellten, dass es das alles nicht mehr gab. Und wie es irgendwann nur noch grauenhafte Brutalität und Tod gab, wenn die Menschen ums Überleben kämpften, in einer Welt, die sich niemand hatte vorstellen können. Bis auf Michael
Weitere Kostenlose Bücher