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Glockengeläut

Glockengeläut

Titel: Glockengeläut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Aickman
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Mann seine Bilder offenbar nicht als getrennte Einheiten, als verkäufliche Kunstobjekte betrachtete. »Ich fand heraus, daß ich einfach nicht das malen konnte, was die Leute vielleicht kaufen würden«, sagte er und verzog die Lippen unter seiner winzigen Nase zu einem Lächeln. Seine Frau, die auf einem ungepolsterten Stuhl saß und wieder seltsam gekleidet war, sagte nichts. Ich hätte mir jedoch sehr wohl vorstellen können, daß die ziellos zuckenden Tentakel des Kunstmarkts eines Tages auch nach diesen eigenartigen Bildern gegriffen hätten - wenn auch aus Gründen einer offenkundigen Fehleinschätzung. Den beiden gegenüber bemerkte ich, daß die Bilder zu den Kraftvollsten und Aufregendsten gehörten, die ich jemals gesehen hätte, und mein Lob war, obwohl die Ausführung der Bilder etwas Laienhaftes hatte, durchaus ernst gemeint. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich gerne, wie die beiden, inmitten dieser Bilder gelebt hätte, doch das steht auf einem anderen Blatt. Vielleicht übertreibe ich bei der Zahl: Ich glaube, drei von diesen recht großen mystischen Stücken hingen im Wohnzimmer, vier im ehelichen Schlafgemach, in das man mich zum Betrachten der Bilder führte, sowie je eines in dem kleinen Gästezimmer und im Bad. Sie waren sehr nachlässig gerahmt, da der Maler sie anscheinend nicht ernst genug genommen und sie zudem abwechselnd mit gerahmten Exemplaren aus seinen Kunstbüchern, die alle dem neuesten Stand der Reproduktionstechniken zum Opfer gefallen waren, aufgehängt hatte.
    Ich besuchte sie mehrmals zum Abendessen, vielleicht sechs oder sieben Mal insgesamt; und ich revanchierte mich für ihre Gastfreundschaft mit Einladungen in den Royal Automobile Club, ein Rahmen, den ich damals für derartige gesellschaftliche Verpflichtungen als angemessen erachtete, denn ich lebte allein in Richmond. Die Battersea-Dinner liefen nach einem festgelegten Ritual ab: Mein Gastgeber bestritt den Großteil der Unterhaltung; seine Frau in ihren seltsamen Kleidern schien, soweit das überhaupt möglich war, von Mal zu Mal weniger zu sagen; das Essen, das sie übrigens selbst zubereitete, war hervorragend, vielleicht ein wenig zu gewollt perfekt; mich behandelte man betont als Gast. Aus dieser letzten Tatsache wie auch aus anderen Dingen folgerte ich, daß sie nicht oft Gäste hatten. Der springende Punkt war vermutlich, daß den Einladungen das Besondere, die Magie eben, abging. Der Maler solcher Bilder hätte eigentlich, so erwartete man instinktiv, etwas Bedeutendes zu sagen haben müssen, doch das, was er vorbrachte - obwohl fürwahr nicht gerade wenig - war immer leicht enttäuschend. Er schien jedesmal erfreut, mich begrüßen zu können, schien mich auch ungern gehen zu lassen, war aber doch unfähig, jene Wand abzubauen, die ihn umgab - so sehr er es auch versuchte. Auch war seine Frau, wie man sich denken kann, entschieden keine Hilfe in dieser Hinsicht. Jedenfalls soweit ich das beurteilen konnte. Menschliche Beziehungen nehmen so wunderlich schräge und verdeckte Formen an, daß man sich als Außenstehender nur selten sicher sein kann.
    Trotzdem schlief die Bekanntschaft dann doch allmählich ein, wenn auch der Kontakt nie vollends abriß. Der Prozeß des ›Einschlafens‹ ging langsam vonstatten, da ich es so einrichtete. Ich spürte fast schon zu Beginn unserer Bekanntschaft, daß jedes abruptere Vorgehen peinliche Verwicklungen, ja womöglich sogar einen Streit heraufbeschworen hätte. Ich wußte also ganz genau, was ich (innerhalb der unvermeidbar extrem engen Grenzen) tat, als ich diese Beziehung sozusagen im Zeitlupentempo erstickte. Irgendwie bedauerte ich das, doch weder der Mann noch seine Frau hatten wirklich etwas in mir berührt, und Verbindungen, die nicht lebendig sind, schneidet man am besten so sorgsam wie möglich ab, bevor das Verwesungsgift womöglich die eigene Existenz infiziert und unnötigerweise das Lebensgefühl beeinträchtigt. Wenn man viel auf Parties geht oder auf irgendeine andere Art stets neue Leute kennenlernt, muß man recht oft Schutzmaßnahmen ergreifen, wie sehr man sich auch selbst dabei verabscheuen mag - gerade so, wie wir Menschen auch gezwungen sind, immerfort unschuldige Tiere umzubringen, allein weil wir in den meisten Fällen nicht fähig sind, nur von Äpfeln und Nüssen zu leben.
    Gleichwohl schlief die Beziehung nie vollends ein. Als nächstes kam ein Brief von einer Anwaltskanzlei. Er erreichte mich gut vier Jahre, nachdem ich das Ehepaar aus Battersea

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