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Glockengeläut

Glockengeläut

Titel: Glockengeläut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Aickman
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erweckte den Eindruck, als gehöre er nicht ›dazu‹. Er trug einen hellblauen Anzug, ein Hemd von dunklerem Blau sowie eine nachtblaue Krawatte. Er wirkte sehr zart und zerbrechlich. Als ich auf ihn zuging, sah ich, daß er einen schmalen, hohen Schädel mit glattem schwarzen Haar hatte, das im Nacken in einer scharfen waagerechten Linie ausrasiert war. Ich sah auch, daß sich eine kurz zuvor noch unsichtbare Frau bei ihm befand, die auf mich, als sie ins Blickfeld kam, recht seltsam gekleidet wirkte. Trotzdem sprach ich den Mann an.
    Es sah indes so aus, als sei ich willkommen. Der Mann sagte einige übliche Dinge wie etwa, daß er hier fast niemand kenne, und stellte mir die beinahe unsichtbare Dame als seine Frau vor. Er plauderte dann unvermittelt und ein wenig ängstlich weiter, als wolle er seine Anwesenheit inmitten so vieler düsterer Fremder irgendwie rechtfertigen. Und dann berichtete er mir beinahe übergangslos, wie er das Malen zugunsten von Herausgebertätigkeiten aufgegeben habe: »Ich hatte nur zu bald erkannt, daß ich nicht erwarten konnte, meine Bilder zu verkaufen«, sagte er - oder zumindest irgend etwas in diesem Sinne. »Zu abstrakt.« Daß er eben diesen Ausdruck benutzte, weiß ich noch genau. Er prägte sich mir sofort ein. Der Mann ging nicht näher darauf ein, vielmehr verbreitete er sich als nächstes über die finanziellen Bedingungen, unter denen er seine grellbunten Allerweltsbücher herausbrachte. Ich habe selbstverständlich auch schon hier und da etwas veröffentlicht, und die Summen, die er nannte, kamen mir meiner Erfahrung nach nicht eben niedrig vor. Ich verkniff mir jeglichen Kommentar der Richtung, daß immer nur die ungelesenen Bücher ihren Herausgebern die Tantiemen einbrächten (schließlich sollen sich moderne Übersetzungen von »Ilias« und »Odyssee« zu Hunderttausenden verkaufen, und die Bibel entpuppt sich zunehmend als der Bestseller der Jahrhunderte), und bemerkte statt dessen, sein Leben müsse mit den vielen Reisen und all der Schönheit, die seine Arbeit festhielt, überaus interessant sein. Er pflichtete mir warmherzig bei und begann, indem er sich einen Martini von einem Tablett in der Nähe nahm, seine letzte Geschäftsreise recht ausführlich zu beschreiben, die ihn nach Zentralamerika geführt hatte, wo es einige fremdartige Wandmalereien gab, welche sich vorzüglich zur farbigen Reproduktion eigneten. Dann sagte er, er hoffe, mich mit seinen Ausführungen nicht gelangweilt zu haben. »Aber nein«, widersprach ich. Währenddessen hatte seine Frau nicht das Geringste gesagt. Ich bemerke das hier einfach als Tatsache. Ich will damit nicht zum Ausdruck bringen, daß sie gelangweilt gewesen wäre. Sie hätte ebensogut völlig gebannt lauschen können. Schweigen kann schließlich beides bedeuten. In ihrem Fall fand ich indes nie heraus, was es bedeutete. Sie war noch zierlicher als ihr Mann, und ihr Haar, zu einem Knoten tief im Nacken gebunden, hatte - soweit ich das in dem Licht beurteilen konnte - die Farbe alten Weizens, dazu kam ein bleiches und, hierin ihrem Mann ähnlich, längliches Gesicht, und vor allem jene etwas seltsame, schwarze Kleidung, die ich bereits erwähnte. Ich bemerkte auch, daß der Mann eine recht schmale, kleine Nase hatte. Schließlich bat er mich, ihnen in ihrem Apartment in Battersea einen Besuch abzustatten, und ich versprach es ihm.
    Man wird bemerkt haben, daß ich mit Namen diskret umgehe. Ich halte das jedoch für das beste, zumal auch der Mann, wie sich noch herausstellen wird, sehr diskret war. Auch wurde ich nie zu einem ›engen‹ Freund des Paares. Irgend etwas jedoch mußte sie für mich eingenommen haben.
    In dem Apartment in Battersea (von dem man keinen vollen Blick über den Park hatte) hingen einige Bilder des Mannes. Ich möchte sie, wenn auch nur entfernt, mit den einst so umstrittenen Werken des späten Charles Sims vergleichen: An der Oberfläche augenscheinlich verworren, ja sogar paranoid, ließen sie einen bei längerem Hinsehen daran zweifeln - ganz genau wie auf den Bildern von Sims -, ob dem Maler nicht in Wahrheit der Durchbruch zu einer tief verborgenen, schrecklichen Ordnung gelungen sei. Die Titel von einigen Sims-Werken wie »Denn siehe, ich bin eingeritzt in deine Hand« oder »Bin ich nicht das Licht im Abgrund?« hätten auch zu den Bildern dieses Mannes gepaßt. Aber bei ihm gab es keine Titel, weniger wohl, wie ich vermute, als Zugeständnis an die damalige Mode, sondern vielmehr, da dieser

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