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Glockengeläut

Glockengeläut

Titel: Glockengeläut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Aickman
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normale Zimmertüren mehrmals hintereinander zuzuwerfen, so wie man es heute mit Autotüren zu tun pflegt. Keiner von ihnen verhielt sich im entferntesten so, wie ich mir das von einem Steuerprüfer vorgestellt hatte.
    »Ich frag’ mich langsam, wie sie überhaupt ihre Arbeit erledigen können«, wunderte sich Maureen bei unserem nächsten Treffen.
    Ich stimmte ihr zu, brauchte ich doch absolute Ruhe und keinerlei Ablenkung, bevor ich überhaupt mit der Arbeit beginnen konnte. So ähnlich dachte ich jedenfalls damals. Vor Maureen spielte ich mich wohl mit dieser ›Empfindsamkeit‹ ein wenig auf.
    »Bei dir ist das auch etwas ganz anderes«, bemerkte sie liebenswürdig. Eine von Maureens zahlreichen guten Seiten war ihr scheinbar tiefer Respekt vor Künstlern. Ich benutze nur ungern den Ausdruck ›scheinbar tief‹, aber hinsichtlich mancher Dinge darf man sich wohl nie ganz sicher sein.
    »Du kannst unser Wohnzimmer gern benutzen, wann immer du möchtest«, fuhr Maureen fort.
    »Vielen Dank.«
    »Wenn sich Mr. Millar dort häuslich niederläßt, sehe ich nicht ein, warum du es nicht auch tun könntest. Ich mag dich sowieso viel lieber«, fügte Maureen kokettierend hinzu.
    »Mr. Millar? Was hat der denn in eurem Wohnzimmer zu suchen?«
    »Er klingelte bei uns an dem Nachmittag, als er einzog. Es war der Tag, an dem ich dir von ihm erzählte, erinnerst du dich? Du wirst sehen, er wird es bei dir genauso machen. Vermutlich ist das seine Art.«
    »Aber was tut er in deiner Wohnung?« fragte ich. Ich war äußerst verblüfft über Maureens Mitteilung. Die neuen Mieter waren schließlich erst vor einigen Tagen eingezogen.
    »Er legt sich hin. In einem verdunkelten Raum, wie er sagt. Obwohl unsere Wohnung nur sehr schwer vollständig abgedunkelt werden kann. Ich hab’ es einmal versucht. Mr. Millar sagt jedenfalls, daß er, wie er sich ausdrückt, Ruhepausen braucht. Du kannst dir sicher vorstellen, was er meint, wenn du an all den Lärm denkst, den sie veranstalten.«
    »Das sind doch seine Angestellten. Warum kann er nicht für Ruhe sorgen?«
    »Das weiß ich nicht, Roy.«
    »Aber was machst du, wenn er da ist?«
    »Bis jetzt bin ich noch nie dagewesen. Schließlich ist es erst ungefähr dreimal vorgekommen. Ich kann dann die Kinder immer in der Küche beschäftigen oder sie in ihr Zimmer schicken.«
    »Du solltest dafür etwas von ihm verlangen«, bemerkte ich verbittert.
    »Du bist doch nicht etwa eifersüchtig, Roy?« fragte sie.
    »Doch«, behauptete ich, obwohl das nicht ganz der Wahrheit entsprach.
    »Gut«, sagte Maureen. »Wir machen Fortschritte!«
    Ich muß zugeben, daß ich eine derartige Bemerkung geradezu herausgefordert hatte.
    Ich muß ferner eingestehen, daß der unbestimmte Widerwillen, Mr. Millar kennenzulernen, durch ein ganz besonderes Ärgernis neue Nahrung erhalten hatte.

    Eine weitere störende Angewohnheit der neuen Mieter begann mich langsam aus der Fassung zu bringen: Die Leute unter mir ließen die Telefone (zweifellos mehrere, was heute üblicher ist als in der damaligen Zeit) unendlich lange läuten, bevor sie sich dann bequemten, den Hörer abzunehmen. Da sie fast immer sämtliche Türen offenstehen hatten, trug das nicht unbeträchtlich dazu bei, den Lärm, der sich den Weg zu meinem Dachgeschoß bahnte, zu vermehren.
    Manchmal konnte ich nicht umhin, einige Sätze dieser hinausgezögerten Telefongespräche zu hören - wenn ich das Treppenhaus hinaufkam, selbstverständlich. Ich will keinesfalls andeuten, daß deutlich vernehmbare Worte durch meinen Fußboden oder meine Wände drangen.
    Was auch immer ich mitbekam, war stets unglaublich abgedroschen und banal. Es schien sich nie um auch nur im weitesten Sinne ›Geschäftliches‹ zu handeln; nichts als ein endloser Strom leeren Geschwätzes, unterbrochen von Gelächter und Kichern. Meine Sicht der Dinge war nur zu offensichtlich von Vorurteilen geprägt, doch mit der Zeit, während ich immer mehr dieser leeren Worte vernahm, wuchsen meine Zweifel, schließlich auch meine Betroffenheit. Obgleich es mich gar nichts anging, und ich auch nur gelegentlich etwas hörte, suchte ich das Treppenhaus während ihrer Geschäftsstunden so selten wie möglich auf, war es doch gerade dieses im Vorübergehen aufgeschnappte, geistlose Geschwätz, das mich zum ersten Mal ein deutliches Unbehagen empfinden ließ. Ein Gefühl, daß an den neuen Mietern etwas war, das mich nicht nur störte, sondern gar ängstigte. Selbstverständlich kannte ich einige

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