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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Glorianas natürliche Töchter, führten Lämmer über die vom Regen überschwemmten Wiesen und lispelten niesend ihre Schäferreime, bis die Königin ihre Gouvernanten bat, sie eilig in den Palast zu bringen und zu trocknen, ehe sie an einer Erkältung zugrunde gingen.
    Das Quintanrennen wurde auf den nächsten Tag verschoben (oder bis die Sonne wieder hervorkäme). Der Sonnenwagen, in welchem fröstelnd und verlegen ein kläglicher Lord Ransley halbnackt und klamm in durchnäßt herabhängender gelber Halskrause und Kniehosen als Mithras, der Herr des Lichtes, posierte, gezogen von jungen Burschen und Mädchen, die, gleichfalls in Gelb, die Sonnenstrahlen darstellten, kam und ging und hinterließ dunkle Spuren im vom Wasser schmatzenden Gras. Die Musiker, als Satyrn und Nymphen verkleidet, erhielten Anweisung zum Rückzug in den großen Festsaal, wo der Tanz nun stattfinden sollte, und die Prozession durch den Baumpfad wurde aufgegeben. Es wurde aber beschlossen, mit der eigentlichen Zeremonie fortzufahren, in deren weiteren Verlauf Gloriana von ihren Höflingen an den Maibaum gebunden und von Sir Tancred befreit würde, der die Ritterlichkeit Albions verkörperte, es sei denn, die Heftigkeit des Regens nähme weiter zu, denn der Maibaum war nun in seinem unteren Teil durch eine große runde Markise geschützt, die wie ein Zirkuszelt um ihn als tragende Mittelstütze errichtet worden war. Meister Wheldrake wurde aufgefordert, näherzukommen und ein weiteres Gedicht vorzutragen.
    Ernest Wheldrake, dessen Gefieder vom Regenwasser glänzte, das er beim Gestikulieren überallhin verspritzte, tat seine Absicht kund, einige neuere Strophen aus seiner langen epischen Romanze vorzulesen, die er in den vergangenen sechs Jahren geschrieben hatte und die betitelt war: Atargatis, oder die Himmlische Jungfrau. »Ihr werdet Euch entsinnen, Majestät, daß Sir Félicites, der Schäfer-Ritter, gerade erst die Gesellschaft von Sir Hemetes, dem Eremiten-Ritter, verlassen hat, der ihm auf seiner Suche nach dem Hof der Königin Atargatis wieder den rechten Weg gewiesen hat. Aber bevor er den Hof erreichen kann, muß er viele weitere Abenteuer bestehen, von denen jedes ihn seine Lektion lehrt und ihn so auf seine Position als Beschützer der Königin vorbereitet, in welcher er Weisheit, Mäßigung und Gerechtigkeit ebenso in sich vereinen muß wie Mut, Tugend und Barmherzigkeit.« Während er sprach, sickerte Regenwasser aus seinem Kopfgefieder auf den Schnabel, rann daran entlang und tropfte von der Spitze auf seine kostümierten Füße.
    »Wir entsinnen uns Eurer Geschichte, Meister Wheldrake, und erwarten ihre Fortsetzung mit großen und angenehmen Erwartungen«, erwiderte die Maikönigin huldvoll, als Meister Wheldrake einen von der Feuchtigkeit welligen und von Wasserflecken verunzierten Band aus seinem Gefieder zog und sich räusperte:

    »Durch düstren Wald nun unser wackrer Ritter zog In Zweifeln und in Furcht auch langsam weiter. Doch bald, als er auf eine helle Lichtung bog, Gewahrt den axtbewehrten Mann der Reiter. In Eich’ und Esche trieb der Riese seine Klinge, In Ulme und in Vogelbeere, Daß durch der Stämme klaffend Spalt sie dringe. So kam der Ritter näher, daß er’s ihm verwehre, Doch senkt’ er die Lanze dem Frieden zur Ehre.

    ›Sag deinen Namen mir, du Wüterich,
Du, der so mächtig und so stark im Arm.
Zu welchem Zweck erkühnst du dich,
Den guten Bäumen zuzufügen solchen Harm?
Was drohst den ganzen Wald du zu zerhauen,
Und machst, daß die gesunden Wurzeln sterben?
    Soll, wo jetzt Grün, das Auge nur noch Ödnis schauen, Wo nicht ein Stamm noch steht, entgangen dem
    Verderben? Wie ist dein Name, schlimmster aller Schergen?‹

    Wie strahlend Silber glänzt’ des Riesen Haar, Ein langer krauser Bart wie weiße Glut;
    Im Leuchten kein Antlitz zu sehen war.
    Dort flammten zwei Augen wie Sterne in Wut.
Schwarzgrün der Leib und eisenhart die Lenden,
Rot glühen Arm’ und Hände fürchterlich.
Nun wollt’ der Ritter rasch zur Flucht sich wenden.
›Ich heiße Chronos, Herr der Zeit bin ich!
Und meine Axt, sie trifft auch dich!‹

    ›Bleib‹, grollte der Riese, ›und höre mich an, Zwischen Leben und Tod sei ein Gleichgewicht. Und weil diese Wahl der Mensch nicht treffen kann, Ward mir die Ehre vor der Himmlischen Gericht, Zu regulieren stets den Lauf der Erde, Daß Stund auf Stunde folge, und der Tag dem Tage, Und daß auf jedes alte Jahr ein neues werde.‹ ›Wie unrecht‹, rief Félicites, ›ist

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