Gloriana
wie Ihr sagtet, durch den Tod seines Freundes verwirrt.«
»Sag mir, daß ich die Rundreise nicht werde unternehmen müssen. Es würde bedeuten, daß ich mich so lange von dir trennen müßte. Und ich glaube nicht, daß es unserer Sache nützen würde.«
»Ihr dürft Euch durch eine Reise dieser Länge nicht erschöpfen, Madame. Albion braucht Euch am Hof. Wer weiß, welche schlimmen Entwicklungen hier stattfinden würden? Schon jetzt ist vieles unerklärt, soweit ich im Bilde bin. Es könnte sein, daß die Gräfin von Scaith noch am Leben ist …«
»Oh, Quire, mein Lieber, wenn es nur so wäre! Was für zwei gute Freunde hätte ich dann.« Und sie umarmte ihn und barg den Kopf an seiner Schulter, während er mit stirnrunzelndem, verwundertem Blick unter dem Ansturm ihrer Liebe aus dem Gleichgewicht zu geraten drohte.
DAS SIEBENUNDZWANZIGSTE KAPITEL
In welchem alte Bekanntschaften erneuert und alte
Streitfragen erörtert werden
Prinz Sharyar von Bagdad nahm seinen spitzen Helm vom Kopf und legte ihn neben seinem Krummsäbel auf den Tisch im Nebenzimmer der Taverne. Es ging bereits auf den Morgen zu, und er wartete schon seit drei Stunden auf Quire; es würde ihr drittes Zusammentreffen sein, seit sie ihre Übereinkunft geschlossen hatten. Bei dem mit Läden verschlossenen Fenster saß Tinkler, nun in fadenscheinigen Brokat und eine zerdrückte Halskrause gekleidet, und trank den Rest aus der Flasche, die er für sie beide mitgebracht hatte, vom Sarazenen jedoch verschmäht worden war. »Er wird bald hier sein, Sir.« »Ihr wißt es?«
»Ich kenne meinen alten Freund und Meister, den Kapitän.«
»Euer neuer Meister ist es, der mir Sorgen macht«, sagte Prinz Sharyar. »Was sollt Ihr melden?«
»Lord Montfallcon gab mir zu verstehen, daß ich Kapitän Quires Arbeit weiterführen sollte. Und so diente ich ihm. Nun, da Kapitän Quire wieder da ist, diene ich demselben Herrn wie er.« Tinkler schien jedoch unbehaglich. »Ich werde Euch nicht verraten, Sir – es würde bedeuten, daß ich den Kapitän verriete.« Er kratzte sich verlegen den Kopf.
Herein kam Quire, eilig und ein wenig außer Atem. »Es hat Nachteile, wenn man dem Monarchen so nahe ist.« Er warf die Tür zu und legte den Umhang ab. Zu seinem gewohnten Schwarz trug er nun eine breite rote Schärpe, die auf der rechten Seite verknotet war. Es sah so aus, als wäre sein Unterleib blutig, so ungewohnt war der Anblick. Er legte seinen Schlapphut neben dem Helm des Sarazenen ab. »Ihr bereitet Euch
Euch schon auf den Krieg vor, Sir?«
»Dies ist meine Staatskleidung. Seit einer Woche warte ich auf eine Audienz bei der Königin. Zusammen mit einer großen Abordnung vom Kalifen, der am Gelingen unseres Planes zu zweifeln beginnt, Quire.«
»Das sollte er nicht tun. Alles macht Fortschritte.« Er zwin
kerte Tinkler zu. »Wie ein rechter Kavalier schaust du aus,
Tink. Montfallcons Gold?«
»Er zahlte mir deinen Lohn voll aus.«
»Er ist großzügig. Du solltest fortfahren, ihm zu dienen.«
Tinkler schüttelte den Kopf und lachte. »Jetzt nicht mehr, da du zurück bist.«
Quire setzte sich gegenüber vom Sarazenen an den Tisch und legte die Unterarme auf die Tischplatte. »Vergebt mir, wenn ich müde scheine. Meine Pflichten erschöpfen mich.« Tinkler lachte vulgär. Prinz Sharyar heuchelte Mißvergnügen und sagte: »Ich brauche mehr spezifische Neuigkeiten. Die Angelegenheit schien sich gut zu entwickeln, aber nun habe ich den Verdacht, daß es mit Euren Plänen nicht mehr so recht fort will. Der Tod des Mädchens verursachte alles das, was Ihr mir prophezeit hattet. Eine bessere Verwirklichung Eurer Pläne, als sie am Jahrestag der Thronbesteigung gelang, wäre nicht möglich gewesen. Aber nun höre ich nichts mehr von Euch, und außer Ingleboroughs Tod, der zu erwarten war und nichts bewirkte – der Page ist übrigens unterwegs nach Arabien, ein Geschenk für den Kalifen –, scheint es fast, als hättet Ihr uns aufgegeben.«
»Ich habe eine Handvoll von Staatsräten für mich eingenommen. Herren von Stand, die zu törichten Schürzenjägern geworden sind und jede Entscheidung unterstützen, zu der ich die Königin ermutige.« Quire zeigte die Zähne in einem Raubtierlächeln. »Montfallcon ist dergestalt in Ungnade gefallen, daß nicht mehr viel zur Verbannung fehlt, und die Königin hört nicht länger auf ihn, weil sie überzeugt ist, daß die Eifersucht ihm den Verstand genommen hat. Der Hof ist in zwei Lager gespalten – diejenigen,
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