Glück, ich sehe dich anders
einen Ausflug nach Dänemark. Es liegt nur knapp achtzig Kilometer von unserem Dorf entfernt. Hand in Hand blickten Louise und Loreen auf die Ostsee hinaus. Sie waren spürbar beeindruckt von dem rauschenden Meer. Die beiden saßen auf einer Holzbank an einem kleinen Hafen. Ein schönes Bild, die beiden so zu sehen. Louise machte den Picknickkoffer auf und reichte Loreen einen Keks. Sie öffnete den Saft für sich und Loreen, steckte einen Strohhalm hinein. Beide tranken abwechselnd davon. Sie hielten ihre Nasen in die frische Brise und ließen sich die Sonnenstrahlen ins Gesicht scheinen.
Von meinem Hausarzt bekam ich wegen anhaltenden Verspannungen Massage verordnet. Zu einem Termin nahm ich Louise mit in die Massagepraxis. Sie verfolgte gespannt jeden Handgriff, den die Frau durchführte. Auf einmal krempelte Louise sich die Arme ihres Pullovers hoch und bat: »Ich auch bitte Massache bei Mama!«
Die Masseurin gab Louise etwas Lotion. Dann legte Louise los. Sie verteilte die Lotion auf meinen Beinen und rieb diese ein. Als wir zu Hause waren, holt sie sich eine Cremedose und kam zu mir. Sie rief: »Ich bin Massachemann!« Ich musste mich hinlegen, sie zog mir die Socken aus und rieb mir die Füße ein. Herrlich!
Auch Rolf und ich lernten wieder, das Leben zu genießen. Abends schauten wir uns eine Wiederholung eines Tatort- Krimis an. Unsere Lieblingskommissare Ballauf und Schenk hatten Dienst. Schokolade und Erdnüsse knabbernd, saßen wir auf dem Sofa und amüsierten uns köstlich.
Wir gingen auch einmal ins Kino. Für zwei Stunden passten Rolfs Schwester Kathrin und ihr Freund Andreas auf die Kinder auf. Louise schlief tief und fest, nachdem sie mindestens zehn Gutenachtgeschichten vorgelesen bekommen hatte. Loreen hielt die beiden jedoch auf Trab. Vor 22 Uhr abends geht sie nicht ins Bett. Sie liebt es, gemütlich mit auf dem Sofa zu sitzen, Wetten, dass … mit Thomas Gottschalk anzuschauen oder Wer wird Millionär mit Günther Jauch. Am meisten mag sie den Musikantenstadl mit Marianne und Michael. Dann sitzt sie im Schlafanzug und barfuß in ihren Hausschuhen auf dem Sofa, klatscht begeistert in die Hände und schunkelt zur Musik.
Wir besuchten einmal zusammen mit Louise und Loreen die Eltern von meinem Schwager: Traute und Karl-Heinz. Traute begrüßte die Kinder fröhlich. Zu Loreen sagte sie: »Na, Muschi!« Und Loreen grüßte zurück: »Na, Muschi!« Fortan sprachen wir nur noch von Muschi und Karl-Heinz. Louise machte sich gleich an den Kuchen heran, der auf dem Tisch stand. Traute arbeitete in einer Bäckerei und hatte immer etwas Leckeres bereitstehen. Während Louise den Kuchen verspeiste, stöberte Loreen lieber im Haus von Traute und Karl-Heinz herum. Am besten gefielen ihr die Uhren und Lampen. Große Standuhren, deren Zeiger und Pendel sich bewegen und die laut ticken, haben es Loreen angetan. Eine Stunde Lampen und Uhren anschauen ist für Loreen gar nichts. Loreen hat auch eine Vorliebe für Windmühlen und für einen großen Strommast, den wir auf unseren Fahrten in die Stadt häufig sehen. Das Stromwerk in der Stadt ist das Zuhause von ihrem Strommast Mamo. So nennt sie ihn. Wenn wir daran vorbeifahren, sagt Loreen: »Da wohnt Mamo!« Sie fügt manchmal hinzu: »Strommast Mamo ist lustig!« Sie stellte fest, dass er Arme hat und Beine und oben einen spitzen Kopf. Sie hat für vieles Namen. Lampen gibt sie Namen wie Moos und Hähä. Wenn sie unser Haus verlässt und zum Spielen in den Garten geht, verabschiedet sie sich von allem. »Tschüss, Moos. Tschüss, Hähä. Tschüss, ihr alle. Komme bald wieder, okä?« Wenn sie wieder ins Haus reinkommt, begrüßt sie ihre Dinge. »Guten Tag, Moos. Guten Tag, Hähä. Wieder da. Alles klar bei euch?« Sämtliche Lebensmittel werden verabschiedet und begrüßt. Dabei geht sie Silbe für Silbe der Wörter durch. Das klingt dann ungefähr so: »Auf Wiedersehen, Apfel. Auf Wiedersehen, Sine. Auf Wiedersehen, Kar. Auf Wiedersehen, Toffel. Auf Wiedersehen, Schoko. Auf Wiedersehen, Lade.«
Ostern 2004 fuhr ich mit Louise zu meiner Freundin Kerstin und ihrem Mann Christian. Die beiden wohnen an der Nordsee direkt am Deich. Christian und seine Eltern sind stolze Besitzer von über tausend Schafen. Jedes Jahr zu Ostern ist Lämmerzeit. Dann geht es rund im Schaf stall. Zweitausend Lämmer – weiße, graue und auch schwarze – blöken im Stall durcheinander. Louise begrüßte sie mit lautem: »Mähhhh!« Und sie stellte sich vor: »Ich bin Louise. Wie
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