Glücklich gestrandet
benutzte, nippte sie rasch an ihrem Wein, um gegen die Verzweiflung anzukämpfen.
Dora übernahm die Rolle der Gastgeberin. Sie öffnete noch eine Flasche Wein und holte einige Bierdosen aus dem Kühlschrank. Dann machte sie ein Päckchen handgeschnittener Chips auf und gab sie in Schalen. Es stand schon eine Hühnerkasserolle bereit, die nur noch auf den Tisch gebracht werden musste. Sie spähte in den Ofen und zählte die gebackenen Kartoffeln, die zu dem Hühnchen serviert werden sollten. Dem Himmel sei gedankt für Jos Neigung, zu viel zu kochen, dachte sie.
Da sie sonst nichts Konstruktives tun konnte, schenkte sie sich ein Glas Wein ein und nahm sich eine Hand voll Chips. Sie blickte zu Jo hinüber, die müde wirkte, und plötzlich bedauerte sie sie sehr. Arme Jo! Sie hatte vor dieser Reise schon genug Angst, ohne sich auch noch mit Carole abgeben zu müssen.
Dann fiel ihr Blick auf den Tisch, den sie einige Zeit zuvor gedeckt hatte, und sie fügte einen weiteren Teller mitsamt Besteck hinzu. Es würde ein ziemliches Gedränge geben, aber das ließ sich nicht ändern. Niemand sollte sich allzu sehr um solche Dinge scheren; schließlich befanden sie sich auf einem Boot und hatten einen Job zu erledigen; sie ließen es sich nicht auf einer Yacht in Südfrankreich gut gehen!
Carole, konnte sie nicht umhin zu denken, würde sich am Cap d’Antibes wohler fühlen als auf einem Boot, das die große, schmutzige Themse in Richtung Küste hinuntertuckerte. Im Raum herrschte verlegenes Schweigen. Jo, die für gewöhnlich so gewissenhaft auf Manieren achtete, brach es nicht, und Dora fiel nichts ein, was sie hätte sagen können. Auch Carole sprach nicht. Zu aller Erleichterung hörten sie Schritte näher kommen.
Dora schoss nach vorn und kam sich dabei vor wie ein Labradorwelpe, freundlich, jedoch ein wenig übereifrig. »Kommt herein, ihr beiden. Ich hole euch einen Drink. Sie müssen Ed sein – was hätten Sie gern?«
»Hallo, alle miteinander«, meinte Ed. »Und ein Bier wäre mir jetzt recht, wenn Sie eins dahaben. Später ein Tropfen Rum.« Er war groß, hatte silbriges Haar und verströmte Zuversicht, wie Dora fand. Eine andere Art Zuversicht als die, die von Marcus ausging, der plötzlich ziemlich mürrisch wirkte. Ed fühlte sich wohl in seiner Haut und wusste, was er tat. Entweder nahm er die Atmosphäre nicht wahr oder verscheuchte sie mit seiner freundlichen Gegenwart.
»Glas oder Dose?«, erkundigte sich Dora.
»Dose. Wir sollten es so weit wie möglich vermeiden, Geschirr schmutzig zu machen!« Er lachte fröhlich, und Dora spürte, dass er ein guter Katalysator für die ungleiche Gruppe an Bord sein würde.
»Oh, danke, dass du dich als Gastgeberin betätigst, Dora«, sagte Jo, die wieder mehr oder weniger die Alte war. »Was hätten Sie denn gern, Carole? Sie müssen etwas trinken, wenn wir anderen alle fröhlich vor uns hin süffeln.«
»Dann hätte ich gern ein Glas stilles Wasser, bitte. Ich brauche nichts Kompliziertes.« Sie bemühte sich um ein Lächeln, brachte es aber nicht recht zu Stande.
»Ich fürchte, das ist ein kleines Problem«, gab Jo nach einem kurzen Schweigen zurück. »Wir haben keins. Ich habe Unmengen Sprudelwasser, alle möglichen Sorten Limonade und Alkohol, eingeschlossen Rum«, sie blickte zu Ed hinüber, »aber kein stilles Mineralwasser. Du hättest es mir sagen können, Marcus«, beendete sie ihre Bemerkungen. Er hatte ihr mitgeteilt, dass Ed gern Rum trank. Marcus antwortete nicht.
»Wir hätten Orangen und Mangosaft«, fiel Dora ein. »Der schmeckt wunderbar mit ein wenig Sprudelwasser.«
»Kohlensäurehaltiges Wasser wird mit Osteoporose in Verbindung gebracht«, wandte Carole ein.
»Doch sicher nicht in Ihrem Alter!«, rief Jo.
»Es ist nie zu früh, um anzufangen, auf sich zu achten«, erwiderte Carole. »Man sollte da ausgesprochen vorsichtig sein.«
»Was ist mit dir, Marcus?«, fuhr Jo fort, ohne auf Caroles Bemerkung einzugehen, und gab sich große Mühe, mit ihm zu sprechen, obwohl ihr mehr danach zumute war, zu zischen. Die Mischung aus Marcus’ Verdrossenheit und Caroles Ansprüchen ging ihr auf die Nerven. Wie sollte sie eine Stunde ertragen, geschweige denn einige Tage mit ihnen?
»Wein … nein … lieber ein Bier.«
»Irgendwann musst du meinen Wein probieren«, sagte Jo, beinahe zu sich selbst. »Er ist sehr gut. Es war ein Angebot, und Dora und ich haben ihn getestet.«
Carole runzelte die Stirn.
Da Carole noch immer ohne einen Drink
Weitere Kostenlose Bücher