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Gluecklich, wer vergisst

Gluecklich, wer vergisst

Titel: Gluecklich, wer vergisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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gesehen haben. Gustav gelingt Travoltas Hüftschwung recht gut. Joe gibt sich versöhnlich und tanzt mit ihm. Als er sie fest an sich drückt, ihren Busen zu streicheln beginnt und sie die harte Ausbuchtung in seiner Hose auf ihrem Bauch spürt, stößt sie ihn weg. Geht allein hinauf ins Schloss.
    Gustav fährt im Schritttempo neben ihr her. Bittet sie mehrmals um Verzeihung. Versucht sie zu überreden, hinter ihm Platz zu nehmen.
    Joe bleibt stur, obwohl sie insgeheim froh scheint, den langen dunklen Weg nicht allein zurücklegen zu müssen. Sobald er ein paar Meter hinter ihr bleibt, dreht sie sich ängstlich nach ihm um.
    Franzi ist mit Willi auf der Promenade zurückgeblieben.

6. Kapitel
    Ein ruhiger, windstiller Oktobernachmittag. Die schweren Regenwolken hatten sich aufgelöst.
    Ich spazierte über die Agerbrücke hinüber nach Kammer-Schörfling, schlenderte die menschenleere Seepromenade entlang. Die Luft war klar und frisch. Die ersten Anzeichen des nahenden Winters waren spürbar.
    Als ich mich ans Ufer stellte und mir eine Zigarette anzündete, schwammen dutzende Schwäne und Enten auf mich zu. Da ich kein altes Brot dabei hatte, fütterte ich sie mit Grashalmen.
    „Können Sie nicht lesen? Hier steht ‚füttern verboten‘ “, fauchte mich eine ältere Dame in Trachtenkleidung an. „Wir haben eine Entenplage. Die scheißen alles voll, verschmutzen das Wasser. Unser See hat Trinkwasserqualität!“
    Ich wollte mich kleinlaut entschuldigen, da fiel gerade rechtzeitig mein Blick auf ein paar Jugendliche, die in der kleinen Marina im Schlosspark herumalberten. Unwillkürlich musste ich an Franzi denken und stellte mir vor, wie sie auf diese Maßregelung reagiert hätte.
    „Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten“, sagte ich zu der alten Dame und ging weiter. Ich war verwundert über die Genugtuung, die ich bei diesen Worten empfunden hatte. Regredierte ich? Fühlte ich mich am Attersee tatsächlich andauernd in meine Kindheit zurückversetzt? Bestimmt hatte die alte Dame recht gehabt.
    Ich beobachtete die jungen Leute. Auch ich war einmal in ihrem Alter gewesen und damals nicht besonders glücklich.
    Mit meinen Eltern war ich sowieso ständig im Clinch gelegen. Ich hatte mir eingeredet, dass ich die Einsamkeit liebte. Ich war gezwungenermaßen viel allein gewesen. Mit dreizehn hatte ich die Schule gewechselt und in der neuen Klasse nur schwer Anschluss gefunden. Meine neuen Schulkollegen waren mir zu kindisch, zu dumm erschienen. Ich hatte mich selbst für unerhört klug gehalten. Doch dieses Überlegenheitsgefühl hatte nicht lange angehalten. Meistens hatte ich meine Mitschüler um den Spaß, den sie miteinander hatten, beneidet und mich selbst zu uninteressant gefühlt, um in eine der Cliquen aufgenommen zu werden. Meinen Weltschmerz hatte ich meinem Tagebuch anvertraut. All mein egozentrisches Denken und die vielen narzisstischen Kränkungen, die mir damals widerfahren waren, hatte ich mir selbst in meinen Aufzeichnungen mitgeteilt. Ich war ein linkisches, versponnenes und introvertiertes Mädchen gewesen. Ich hatte mich redlich bemüht, gegen die Wertvorstellungen meiner Lehrer und Eltern zu protestieren, aber nie die richtigen Worte gefunden und es bald vorgezogen zu schweigen. Mein Protest hatte im Rückzug, in der Verweigerung bestanden. Ich war auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, nach neuen Werten, neuen Idealen gewesen.
    Vierzehn, was für ein rebellisches Alter! Ich begann, mit Selbstmordgedanken zu spielen, malte mir tränenreich mein eigenes Begräbnis aus, stellte mir den Nervenzusammenbruch meines Vaters und die Wut meiner Mutter bildlich vor. Aus heutiger Sicht war ich anorektisch, hoffte, durch meine Magersucht länger Kind bleiben, länger an Mamas Schürzenzipfel hängen zu dürfen. Ich liebte sie zu sehr und musste mich verständlicherweise gegen diese Liebe wehren. So weigerte ich mich zu essen, was meine Mutter kochte, ernährte mich vegetarisch oder besser gesagt von Süßigkeiten und nahm ständig ab. Bis sogar meine Menstruation ausblieb und meine Mutter mich zu einem Gynäkologen schleppte. Die Hormonpillen, die er mir verschrieb, schluckte ich zum Glück nicht, aber ich bemühte mich, ein wenig zuzunehmen. Und irgendwann kehrte die Menstruation von allein zurück. Kurzfristig hatte ich mich also erfolgreich gegen meine Weiblichkeit gewehrt.
    Als ich wieder menstruierte, wünschte ich mir nichts mehr, als einen männlichen Körper zu besitzen. Auch meine

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