Gluecklich, wer vergisst
vorigen Abende, einen schwachen Lichtschimmer hinter einem Fenster im linken Flügel des Schlosses. Fast ein Uhr morgens. Wer trieb sich um diese Zeit dort herum? Und warum?
Ich hatte Albert in Verdacht. Andererseits hatte nicht nur Walpurga, sondern auch er mir in den letzten Tagen versichert, dass dieser Trakt leer stand und dass es lebensgefährlich wäre, ihn zu betreten. In allen Stockwerken waren die Verbindungstüren mit Brettern zugenagelt.
Meine Neugier ließ mir keine Ruhe. Bewaffnet mit Zigaretten, Feuerzeug, Taschenlampe und einem Stück Draht, das ich in der Küche fand, machte ich mich auf, meine Neugier zu befriedigen.
Sommer 1979
Plakate rund um den See kündigen die große Attersee-Überquerung an. Sowohl Gisela als auch Victor und Philip stehen an diesem Tag sehr früh auf.
„Wenn sich unsere Alten zutrauen, diese zwei Kilometer von Weyregg nach Attersee zu schwimmen, schaffen wir das locker“, sagt Franzi, als sie Joe um sieben Uhr morgens zu wecken versucht. „Steh endlich auf. Du kannst dich heute bei deiner Mama für deine ständigen Niederlagen im Tennis revanchieren“, sagt sie in energischem Ton.
Joe wankt verschlafen ins Bad und zieht ihren Badeanzug an. Als sie wieder rauskommt, wirkt sie total fit. „Let’s go“, sagt sie zu ihrer Freundin.
Philip, Gisela und Victor wirken etwas überrascht, als die beiden Mädchen zu Victor in den Fond des Wagens klettern.
Im Weyregger Strandbad warten bereits hunderte Leute auf den Startschuss. Gustav und Willi sind ganz vorne dabei. Franzi nimmt Joe an der Hand. Drängt sich mit ihr nach vorn zu den Burschen.
Victor sucht sich im Strandcafé einen Platz in der Sonne. Bestellt sich eine Melange, während seine Frau mit Philip an den Start geht.
Knappe zwei Kilometer, sagt sich Joe immer wieder vor, während sie hinter Franzi herschwimmt. Sie bemüht sich, die Füße ihrer Freundin nie mehr als vier bis fünf Meter vor sich zu haben. Und dreht sich mehrmals nach Philip und ihrer Mutter um, die sich einige Meter hinter ihr befinden. Mitten am See beginnt sie zu kraulen, holt Franzi sogar ein. Schwimmt dann langsamer neben ihr her. Als ihre Freundin zu quatschen anfängt, sich über den ehrgeizigen Gustav, der ihnen fast fünfzig Meter voraus ist, auslässt, entkommt Joe ein kleines Lächeln. Sie schweigt beharrlich. Atmet tief ein und aus. Bald hat sie ihre Freundin überholt. Franzi redet sich die Seele aus dem Leib. Der Abstand zwischen den beiden Freundinnen wird größer und größer. Joe kann das Gerede ihrer Freundin fast nicht mehr verstehen. Als sie auf den letzten hundert Metern zum Endspurt ausholt, vernimmt sie nur mehr unverständliche Wortfetzen.
Franzi scheint Joes Absicht zu durchschauen. Hört auf zu reden. Beginnt ebenfalls zu kraulen. Holt Joe fast ein.
Als Joe es dennoch schafft, vor ihrer Freundin durchs Ziel zu schwimmen, klatschen Gustav und Willi wie wild. Keiner von beiden hätte es ihr zugetraut, Franzi zu besiegen.
Gisela und Philip schwimmen kurz nach den Mädchen gemütlich an Land. Joe strahlt übers ganze Gesicht, scheint sich riesig zu freuen, dass sie schneller als ihre beste Freundin war.
Victor holt die Schwimmer dann mit dem Wagen im Ort Attersee ab. Er ist sehr stolz auf seine Tochter. Sein Lob ist Balsam auf Joes Wunden, hat sie doch in den letzten Tagen mehr als eine Niederlage einstecken müssen.
Franzi spielt die gute Verliererin. Gratuliert Joe, als sie hinten im Auto sitzen. Flüstert ihr jedoch ins Ohr: „Jetzt bist du mir einen zweiten Disco-Besuch schuldig.“
Beim späten Mittagessen im Schloss tuschelt Franzi permanent mit ihrem Bruder. Als sie den Tisch verlassen, sagt Albert zu Joe: „Franzi möchte heute Nachmittag gern einen Familienwettbewerb im Schwimmen veranstalten. Du, Gisela und dein Vater gegen Franzi, Philip und mich. Eine blöde Idee. Ihr seid bestimmt alle total k.o. Aber ihr dürfte diese Revanche unheimlich wichtig sein.“
„Mir soll es recht sein. Papa ist ein ausgezeichneter Schwimmer. Er hasst zwar kaltes Wasser. Aber er hat mir das Schwimmen beigebracht.“
Walpurga erklärt sich bereit, den Schiedsrichter zu spielen, als sie am späten Nachmittag zum See hinuntergehen und vom Steg aus starten. Sie hat eine Stoppuhr dabei. Vereinbart ist eine Art Staffel-Lauf.
Gisela besteht darauf, dass nur bis zur letzten Boje geschwommen wird. „Wir sind alle müde“, sagt sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet, als Franzi zu protestieren beginnt.
Gisela und
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