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Glückliche Ehe

Glückliche Ehe

Titel: Glückliche Ehe
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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fügte scheinbar beiläufig hinzu: »Es ist irgendwie komisch, aber das war der ursprüngliche Titel für Stadtneurotiker . Woody Allen wollte ihn Anhedonie nennen. Aber wissen Sie was? Man dachte, damit würden sich keine Kinokarten verkaufen lassen.«
    Margaret nahm den Ball an, den ihr Enrique zuspielte. Sie lächelte den Iraker entschuldigend an und sagte: »Mein Mann ist im Filmgeschäft.«
    Das erregte natürlich die Aufmerksamkeit des Arztgefolges. »Oh, wirklich, was machen Sie denn?«, fragte der Famulant, und beide Medizinstudenten sahen Enrique an, als hätte er die Antworten für die Prüfungen der nächsten Woche.
    »Ich bin Drehbuchautor.« Enrique zuckte mit den Achseln, als ob das peinlich wäre.
    »Im Moment wird gerade ein Film von ihm gedreht«, sagte Margaret. »Jetzt noch in Toronto, aber sie kommen bald nach New York, oder?«
    »Ja, in drei Wochen drehen sie einen Block von hier«, murmelte Enrique in Richtung Fußboden.
    Margaret konnte das Gefolge des Arztes noch mit der Besetzungsliste beeindrucken, bevor der Iraker sie unterbrach: »Genug geplaudert«, sagte er zu seinem Team und fragte dann Margaret: »Woher wissen Sie, dass Sie die letzte Person sein sollten, die man für eine vollständige Gruppe brauchte?«
    »Ich habe gefragt«, sagte Margaret und ließ ihr lautes, aber rasch wieder abgebrochenes Lachstakkato los. »Wenn man fragt, müssen sie es einem sagen.«
    Der Arzt blickte immer noch unwirsch drein. AnEnrique gewandt fragte er: »Haben Sie ihr gesagt, dass sie fragen soll?«
    »Nein, sie hat das Informationsmaterial gelesen und ist selbst darauf gekommen.«
    »Sie haben gefragt?« Er drehte den Kopf jäh wieder und richtete seine dunklen Augen auf Margaret. Überraschenderweise huschte ein anerkennendes Lächeln über sein Gesicht. Er betrachtete sie mit einer gewissen Bewunderung, so lange, dass sein Blick Margaret offenbar nervös machte und sie ein weiteres Stakkatolachen hören ließ. »Sie sind eine kluge Frau«, erklärte er schließlich.
    Margaret strahlte. »Und ich bin eine kooperative Patientin. Bin ich wirklich. Ich werde ganz brav sein. Versprochen. Ich werde alles tun, was Sie mir sagen.«
    »Gut«, sagte er mit einem selbstironischen, zufriedenen Nicken. »Haben Sie das gehört?«, fragte er sein Gefolge. »So etwas höre ich gerne.«
    »Ich werde brav sein«, fuhr Margaret fort, »aber nur, wenn das, was ich tun soll, mir auch tatsächlich helfen kann.«
    Ein Grinsen breitete sich über sein schlankes Gesicht. »Sie werden mir gehorchen, wenn Sie meiner Meinung sind, stimmt’s?«
    »Genau«, sagte Margaret, und alle im Raum lachten, dankbar dafür, dass hier Leiden und Tod in gewisser Weise verspottet wurden.
    Das war Margarets und Enriques letzter Mannschaftssieg in Sachen Krebstherapie gewesen. Kaum hatte sie ihren neuen Arzt bezaubert, entschuldigte Margaret sich hastig und ging ins Bad. Sie erbrach die angesammelte Gallenflüssigkeit und das Wasser, das sie in den letzten drei Stunden getrunken hatte. Durch die dünne Tür des Untersuchungsraumes waren die Geräusche deutlich zu hören. Das Medizinerteam stellte seine Diskussion über das weitere Vorgehen in diesem Fall ein, um dem gespenstisch mühelosen Erbrechen zulauschen; Enrique wusste aus zweimonatiger Anschauung, dass sie mit offenem Mund über die Toilette gebeugt war und Flüssigkeit sich aus ihr ergoss wie ein Brunnenstrahl, literweise, wie es schien. Der Iraker fragte Enrique: »Wie oft muss sie das machen?«
    »Alle vier Stunden. Sie verdaut überhaupt nichts mehr. Hier ist der Bericht.« Enrique reichte ihm die Ergebnisse eines qualvollen Tests, den sie auf Anweisung eines früheren Gastroenterologen hatte durchstehen müssen, um zu beweisen, dass das Erbrechen keine Überreaktion auf die Chemotherapie-Übelkeit war. Sie hatten ihr Rührei zu essen gegeben, das bestrahlt worden war, um es im CT sichtbar zu machen, und sie dann stündlich in die Röhre geschoben, um festzustellen, ob irgendetwas davon ihren Magen passiert hatte. Nach viereinhalb Stunden, in denen Margaret sich vor Anstrengung, das Atomfrühstück bei sich zu behalten, stöhnend wand, hatte der Techniker schließlich im Scan gesehen, dass das Rührei kein bisschen weitergelangt war, und ihr erlaubt, es zu erbrechen. Das war das Ende zweimonatiger ärztlicher Skepsis gewesen.
    Der Spezialist senkte den Kopf, um den Untersuchungsbericht zu überfliegen, und verkündete dann: »Als Allererstes müssen wir morgen die PEG-Sonde legen. So
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