Glücksboten
Mrs Anson meine nächste Verwandte, obwohl wir nicht wirklich miteinander verwandt sind.«
»Oh. Dann weiß ich nicht, ob ich mit Ihnen über ihren Zustand reden darf. Wer ist denn ihr nächster Verwandter?«
»Verwandtschaft hat nichts damit zu tun. Kitty - Mrs Anson - hat keine lebenden Verwandten, soweit wir wissen. Sie ist die Patentante meiner Mutter, und sie hat sich während der Schulferien um mich gekümmert. Jetzt kümmern wir uns umeinander.« Perdita biss sich auf die Unterlippe und hätte beinahe erneut zu weinen begonnen. Der Gedanke, dass man sie vielleicht daran hindern würde, für Kitty zu sorgen, nur weil sie nicht den gleichen Stammbaum teilten, war ihr unerträglich. »Wenn Sie eine Referenz brauchen, könnten Sie mit Mrs Ansons Hausarzt reden. Das ist Doktor Edwards aus der Gemeinschaftspraxis Edwards, Spring und Chapman.«
»Oh, hm, wenn sie keine eigene Familie hat - dann hat sie großes Glück, Sie zu haben, nicht wahr?«
»Um genau zu sein, habe ich Glück, dass ich sie habe. Und ich möchte sie so lange wie möglich behalten - oder sie wenigstens nach Hause holen.«
Die Schwester schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, es ist noch viel zu früh, um daran zu denken. Wir werden eine ziemlich ausgiebige Physiotherapie anschließen müssen, und Mrs Anson muss sich an ihre Behinderung gewöhnen.«
Als Perdita das Krankenhaus verließ, war sie müde und niedergeschlagen. Das Einzige, das sie für Kitty tun konnte, waren Nichtigkeiten. Sie konnte ihre Nachthemden waschen und so weiter, davon abgesehen war sie in den Händen fremder Menschen, die, so gut sie es auch meinten, Kittys Bedürfnisse vielleicht nicht verstehen würden und die nicht genug Zeit hatten, um ihr Anregung und Freundschaft bieten zu können.
Perdita fuhr ihren Lieferwagen nach Hause, wärmte sich eine Dosensuppe und versuchte, früh zu Bett zu gehen. Sie war todmüde, konnte aber nicht schlafen. Normalerweise bewegte sie sich so viel im Freien, dass sie schlief wie ein Stein, aber der Nachmittag im Krankenhaus hatte sie in tiefe Niedergeschlagenheit gestürzt. Einerseits weil er ihr so nachdrücklich klar gemacht hatte, was sie ohnehin wusste: dass nämlich Kitty eine sehr alte Dame war und bald sterben würde. Andererseits weil Perdita plötzlich begriffen hatte, dass sie ohne Kitty kein Zentrum mehr für ihre Liebe und Zuneigung haben würde.
Während sie in der Dunkelheit lag, wusste sie zwar, dass sie nicht einsamer war als in den letzten Jahren, aber zum ersten Mal fühlte sie sich einsam. »Der Unterschied zwischen Alleinsein und Einsamkeit«, sagte sie in die schwarze Nacht hinein, »besteht darin, dass Alleinsein freiwillig ist und jederzeit beendet werden kann. Daher«, fuhr sie fort, um sich Mut zu machen, »bin ich nicht einsam, denn morgen kann ich mit William reden oder die Lieferungen ausfahren.« Vielleicht sollte ich mir eine Katze kaufen, dachte sie, als sie sich auf ihrem Kissen umdrehte und sich auf der Seite zusammenrollte.
Am nächsten Tag beschloss Perdita, zuerst nach Grantly House zu fahren - theoretisch, um Lucas auf den neuesten Stand zu bringen, aber auch um ein wenig Kontakt zu jungen und gesunden Menschen zu haben.
»Also, wie geht es ihr? Warum hast du nicht angerufen?«, wollte Lucas sofort wissen.
Perdita stellte fest, dass sie ihn anlächelte. Seine Schroffheit war nach den gedämpften Stimmen im Krankenhaus eine solche Erleichterung! »Die Ärzte wollen sich nicht festlegen, sie sagen nur immer wieder: ›Es ist noch sehr früh.‹ Natürlich ist es noch zu früh für eine endgültige Diagnose, aber ich habe das Gefühl, dass Kitty einfach aufgeben und sterben wird, wenn sie nicht bald nach Hause kommt.«
»Isst sie wenigstens?«
»Das weiß ich nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie großen Appetit hat. Und ich weiß nicht, wie das Krankenhausessen ist oder ob sie in der Lage ist, allein zu essen ...«
»Ich nehme an, ihr Appetit braucht einen Anreiz. Im Krankenhaus setzt man ihr wahrscheinlich irgendwelchen Matsch vor.«
»Das kannst du nicht wissen. Ich habe ja keine Ahnung, wann du das letzte Mal im Krankenhaus warst, aber ich nehme an, das Essen dort ist wunderbar.«
Er sah sie zweifelnd an. »Ich kenne dich, du bist zu wohlerzogen und damenhaft, um in Erfahrung zu bringen, ob das Essen genießbar ist oder nicht. Ich gehe heute Nachmittag hin und frage Kitty.«
»Oh, ich wollte sie heute Nachmittag eigentlich besuchen.«
»Könnten wir nicht beide
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