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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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schnell mal eine Idee hat.« In seinen Worten lag tiefe Verachtung! Dabei war er eigentlich gar nicht der Typ dafür. »Und morgen steht bestimmt etwas in der Zeitung. Warte mal ab.«
    »Was zum Beispiel?«
    »Ach, irgendwas. Eine billige Reportage über Frankies neue Kinder. Oder Zeezah bei einer Bikini-Modenschau. Irgendwas. «
    In dem Moment klingelte mein Handy. Überrascht sah ich auf dem Display, dass es Harry Gilliam war. Was wollte er? Außer mir kühle Angstwinde durchs Gedärm blasen?
    Ich ging dran, denn wenn ich es nicht tat, würde er einfach weiterklingeln.
    »Harry«, sagte ich und zwang mich zu einem ungemein munteren Ton. »Wie sieht es aus? Wie geht es Ihrem Huhn?«
    Nach einer langen Pause sagte er: »Cecily hat es nicht geschafft.«
    Ich schluckte. »Das tut mir sehr leid.«
    »Ja«, sagte er. »Sie hat mich im Stich gelassen.«
    Plötzlich hatte ich die verstörende Vorstellung von einer Säuberungsaktion bei Morgengrauen im Hühnerhaus, wo Cecilys ganze Familie zusammengescheucht und jedem ein zelnen Huhn der Hals umgedreht wurde. Oje.
    »Mir ist zu Ohren gekommen«, sagte Harry, »dass Sie die Suche nach Ihrem Freund abgebrochen haben.«
    »Das stimmt.«
    »Suchen Sie weiter, Helen.«
    Auf meiner Haut prickelte es vor Angst, Aufregung, Interesse. Hauptsächlich Angst. »Wie meinen Sie das?«
    »So wie ich es gesagt habe, Helen. Könnte nicht einfacher ein. Suchen Sie weiter.«
    »Warum? Ist er in Not? Was ist los?«
    »Ich kriege eine Art Krampf in der Zunge, Helen. Ich sage es nur noch einmal: Suchen Sie weiter.«
    »Aber wenn Sie etwas wissen, das mir helfen könnte, warum sagen Sie es mir dann nicht?«
    »Ich? Was sollte ich wohl wissen?«
    Und dann war er weg.
    Sprachlos starrte ich auf das Handy. Ich hatte Angst vor Harry Gilliam. Richtig große Angst. Ich wusste nicht, warum. Früher war das anders gewesen. Doch jetzt war er irgendwie sehr bedrohlich. Vielleicht hatte er das in einem Kurs gelernt.
    »Was ist?«, fragte Artie.
    Ich starrte weiterhin auf mein Handy. Ich war sehr verwirrt. Wollte Harry Gilliam mir sagen, dass Wayne in Not war und gerettet werden musste? Oder wollte er mir sagen, dass er zwar nicht wusste, wo Wayne war, aber wenn er nicht gefunden würde, müsste ich dafür büßen? Sollte ich mir um Wayne Sorgen machen? Oder um mich selbst?
    »Helen?«, sagte Artie sanft.
    Was durfte ich ihm erzählen? Überall diese Grenzen, pro fessionelle und private.
    »Harry Gilliam?«, sagte ich.
    Artie setzte seine Polizistenmiene auf und war plötzlich sehr diskret.
    »Er ist mir … bekannt. Hat schwer unter der Rezession zu leiden. Die Leute kaufen nicht mehr so viele Drogen wie früher.«
    »Das war er gerade. Er sagt, ich soll weiter nach Wayne suchen.«
    »Warum?«
    »Hat er nicht gesagt. Ich weiß gar nicht, wie er das geschafft hat, aber ich habe es mir überlegt.«
    Nach einer langen Pause sagte Artie: »Vermutlich hat es keinen Sinn, dass ich dich bitte, es nicht zu tun.«
    Ich sah ihn an. Ich brauchte nicht den Kopf zu schütteln.
    »Ich kann auf mich aufpassen«, sagte ich. »Das ist einer der Gründe, warum du mich liebst.«
    Überrascht sahen wir uns an – irgendwie war mir das »L«-Wort rausgerutscht.
    »Es war ein Missgeschick«, sagte ich rasch. »Lass uns vernünftig sein, wir beachten es einfach gar nicht.«
    Er sah mich weiter an. Schließlich sagte er: »Pass auf dich auf, Helen.«
    Ich war mir nicht sicher, wovor er mich warnte, aber ich konnte gerade nicht länger darüber nachdenken.
    »Das tue ich«, sagte ich. »Ich muss jetzt gehen.«

45
    A ls ich draußen auf der Straße war, rief ich Parker an. Er antwortete nach dem ersten Klingeln. »Helen?«
    »Wo bist du?«
    »Television Centre, bei RTÉ.«
    »Ich bin auf dem Weg, ich will mir Waynes Schlüssel holen. Sorg dafür, dass für mich ein Ausweis am Empfang bereitliegt.«
    »Was soll …«
    Ich legte auf. Ich wusste nicht, was los war, weder mit Harry noch mit Jay. Ich hatte Angst, aber ich war auch wütend, was unangenehm war, aber gleichzeitig – so seltsam es klang – besser als mein Befinden ohne den Fall.
    Überrascht stellte ich fest, dass sie beim Empfang des Television Centre von mir wussten. Ich hatte mich auf ein er müdendes Hin und Her mit einem wichtigtuerischen, macht besessenen Angestellten eingestellt, aber ein laminierter Ausweis mit meinem Namen drauf lag für mich bereit, und nach einem kurzen Telefonat kam ein Laufbursche in Schwarz, der mich in den Green Room brachte.
    Ich war noch

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