Glücksfall
nie in einem Green Room gewesen und stellte enttäuscht fest, dass er wie ein ganz gewöhnliches Wohnzimmer aussah. Es gab viele Sofas und in der Ecke eine Bar. Ungefähr zwanzig Personen saßen in Grüppchen zusammen, jeweils in einiger Entfernung von den ande ren Grüppchen. Von der Laddz-Gruppe abgesehen hatte ich keine Ahnung, wer sie waren. Aber ich konnte raten. Ein Fernsehkoch, der sein Kochbuch lancieren wollte? Ein Frau mit künstlichen Brüsten und künstlichen Nägeln, die mit Männern des öffentlichen Lebens geschlafen hatte? Der Kapitän des Schlagball-Teams, das das Finale in Munster gewonnen hatte? Eine mittelmäßige Band, die Werbung für eine Platte oder ein Konzert machen wollte? Oh, das waren natürlich die Laddz.
Die Laddz-Gruppe saß eng zusammen. Jay war da, versteht sich, sowie John Joseph und Zeezah, die leise ein privates Gespräch führten. Roger St Leger hatte die langbeinige Blonde mit der rauchigen Stimme mitgebracht, die er bei dem Grillfest aufgegabelt hatte. Beide waren betrunken und lagen auf einer Couch, wo sie laut und dreckig lachten und Wodka tranken und aussahen, als würden sie sich jeden Moment an die Wäsche gehen.
Frankie saß stocksteif und ungewöhnlich still auf einem Sessel. Im ersten Moment dachte ich, es wäre Rogers Gehabe, das ihm zuwider war, doch dann wurde mir klar, dass Frankie sich in einer komplizierten Situation befand. Im Moment war seine Fernsehkarriere von Erfolg gekrönt, und so wie es aussah, würde er das Erbe von Maurice McNice antreten, sobald der abdankte. Doch im Moment war es für Frankie, während er auf Maurice’ Ableben wartete, ein bisschen peinlich, in dessen Show aufzutreten. Man könnte es geradezu für Häme halten.
Jay war in ein Gespräch mit einem Mann vertieft, der offenbar einer der Produzenten der Show war.
»Aber Wayne ist krank«, sagte Jay. »Er hat rasende Halsschmerzen. Er kann unmöglich singen.«
»Niemand verlangt, dass er singt«, sagte der Produzent. »Bei Saturday Night In wird nie gesungen. Es ist immer Playback.«
»Wayne liegt mit neununddreißig Fieber im Bett«, sagte Jay. »Er kann nicht mal aufstehen. Ein Interview mit John Joseph und seiner entzückenden neuen Frau ist da viel besser.«
Ich erfasste die Situation auf einen Blick: Vor Waynes Verschwinden waren die Laddz zum »Singen« zu der Show eingeladen worden, und jetzt versuchte Parker zu retten, was zu retten war, indem er John Joseph und Zeezah für ein Interview anbot.
Der Produzent war keineswegs glücklich mit diesem Änderungsvorschlag, weil es in der Show schon ein Interview mit dem frisch verheirateten Star des Schlagball-Teams geben sollte. »Das haben wir schon, ein Interview mit einer ›entzückenden neuen Ehefrau‹«, sagte der Produzent. »Aber wir haben noch keine Musikeinlage. Für Unterhaltungsshows gibt es gewisse Regeln! Hier ist die Gewichtung ganz falsch.«
»Die Frau da«, sagte Jay und zeigte auf Zeezah, »ist ein Star von Weltrang. Es ist ein echter Coup, ein Interview mit ihr zu bekommen.«
Ein Leuchten trat in die Augen des Produzenten. »Vielleicht kann sie singen?«
»Nein!« Jay sah die Werbewirkung für die Laddz schwinden. »Zeezah hat ihr Bühnenkostüm nicht dabei. Sie kann sich nicht einfach auf einen Schemel setzen und singen. Wie stellen Sie sich das vor?«
Der Produzent empfing wichtige knisternde Anweisun gen über sein Walkie-Talkie und sprang auf. »Ich muss mich um andere Dinge kümmern«, sagte er zu Jay. »Aber wir zwei sind noch nicht fertig.«
Als der Mann losgerannt war, gab ich Jay einen Schlag auf die Schulter. Er sah mich an.
»Du bist wieder da?«, sagte er. »Was ist los?«
»Gib mir einfach die Schlüssel von Waynes Haus.«
»Sag mir erst, was los ist.«
»Dein Freund Harry hat mich überredet, weiter nach Wayne zu suchen.«
»Harry?« Jay sah aufrichtig verdutzt aus. Aber bei ihm wusste man nie. »Wer ist Harry?«
»Ist auch egal. Mir ist jetzt nicht nach deinem Gelaber. Aber merk dir dies: Du bezahlst mir weiter mein Honorar, was immer da zwischen dir und Harry läuft.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest«, sagte Jay. »Und ich bin froh, dass du wieder da bist. Aber das solltest du wissen: Als du den Fall heute Nachmittag abgegeben hast, hat John Joseph einen anderen Detektiv angeheuert.«
»Wen?«
»Walter Wolcott.«
Ich kannte ihn. Älterer Typ. Ganz andere Arbeitsmethode. Methodisch. Fantasielos. Schlug auch schon mal zu. Ehemaliger Polizist, das verstand sich von
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