Glücksfall
sie mit Jay bekannt gemacht hatte.
Sie haben mir nie verziehen. Und ich war so tief gekränkt, weil Jay meine Freunde ruiniert hatte, dass ich ihm wiederum nicht verzieh.
Unsere Vierergruppe brach auseinander. Bronagh und Blake sprachen nicht mehr mit mir, und ich sprach nicht mehr mit Jay. Das war jetzt ein Jahr her.
»Aber ich habe nichts gemacht, was unehrlich war, wie du mir immer unterstellst«, sagte Jay. »Ich bin kein Betrü ger. Es war eine solide Geschäftsidee. Sie hatte die Unterstüt zung einer Bank mit ausgezeichnetem Ruf, keiner konnte ahnen, dass sie zusammenbrechen würde.«
Ich schloss die Augen. Dann seufzte ich und ließ endlich den kleinen harten Klumpen los, nämlich meine Überzeugung, dass Jay Parker ein Betrüger war.
Und Bronagh und Blake waren keine Dummköpfe, sie hatten sich sehenden Auges auf das Projekt mit Jay Parker eingelassen.
Da war noch etwas anderes, das ich mir ebenfalls klarmachen konnte, wo ich schon den harten Fakten ins Gesicht sah: Bronagh und ich waren nicht mehr beste Freundinnen, wie ich es immer gedacht hatte. Früher, ja – bevor sie Blake geheiratet hatte, da waren wir unzertrennlich. Aber als ich sechs Monate später meine erste Depression bekam, war sie nicht wirklich für mich da. In der Klinik hat sie mich nur einmal besucht. Ich hatte es ihr nachgesehen mit der Begründung, sie sei frisch verheiratet und praktisch noch in den Flitterwochen.
Aber vielleicht war es in der Zeit meiner Krankheit, dass unsere Freundschaft einen ernsten Knacks bekam: Ich hatte sie so sehr geängstigt, als ich krank wurde und danach nie mehr ganz die war, die ich vorher gewesen war.
»Verzeih mir bitte«, sagte Jay.
Ein seltsamer Friede senkte sich auf mich. »Ich verzeihe dir«, sagte ich. »Ich verzeihe dir von Herzen.«
Hoffnung flackerte in ihm auf. »Vielleicht können wir ja …«
»Nein«, sagte ich sanft. »Schlag dir das aus dem Kopf. Es gibt keinen Weg zurück.«
»Das mit deinem neuen Freund? Ist das ernst?«
»Hmmm«, sagte ich. Wozu jetzt die Einzelheiten erörtern? Das friedliche Gefühl war schlagartig wieder verschwunden. Aber schon bald wäre auch das nicht mehr wichtig.
64
I ch hatte eine Nachricht von Artie mit der Bitte, ihn anzurufen, aber ich rief nicht an. Würde ich ihn anrufen, müssten wir über die Tatsache sprechen, dass, während ich die Nächte auf dem Wohnzimmerfußboden von Wayne Diffneys Haus verbrachte, seine ehemalige Frau in seinem Haus geschlafen hatte. Vielleicht sogar in seinem Bett. Höchstwahrscheinlich in seinem Bett, wenn man bedenkt, wie schockiert sie bei unserer Begegnung war.
Ich traf eine Entscheidung: Ich würde die Sache mit Wayne zu Ende bringen. Als Rückhalt hatte ich meine kleine Ausrüstung, meinen Fallschirm. Aber solange, bis Jay Parker am nächsten Vormittag die Pressemeldung rausbrachte und das Konzert absagte, würde ich nach Wayne suchen. Und dann war ich weg.
Gewissenhaft machte ich also weiter und verfolgte die kargen Spuren, die noch blieben. Ich wählte die Nummer von Waynes Schwester Connie, und der Anrufbeantworter schaltete sich sofort ein. Vielleicht war das paranoid, aber ich argwöhnte, dass sie mich mied. Dann rief ich Digby an, den potenziellen Taxifahrer, aber auch da meldete sich nur der Anrufbeantworter.
Wollte denn niemand mit mir sprechen?
Ich beschloss, Harry Gilliam anzurufen, mich seiner Barm herzigkeit zu überlassen, und zu meiner Überraschung ging er dran.
»Was ist?« Ganz schön schroff.
»Ich muss mit Ihnen sprechen«, sagte ich.
»Ich habe zu tun.« Richtig, im Hintergrund war Gackern und Glucken hören. »Ich bereite mein neues Huhn für einen Kampf vor.«
»Können wir am Telefon sprechen?« Ich wusste, dass er darauf nicht eingehen würde. »Oder soll ich zu Ihrem Übungsplatz kommen?«
Einen Moment lang war er still. »Kommt nicht infrage, dass Sie meine Hennen sehen. Ich treffe Sie in einer halben Stunde in meinem Büro.«
Er war weg, bevor ich sagen konnte, dass ich seine Hühner gar nicht sehen wollte. Ich mochte Hühner nicht. Sie hatten komische Augen. So knopfartig.
Wie üblich war Harry bei Corky’s ganz hinten im Raum, ein Glas Milch auf dem Tisch vor sich.
Ich zwängte mich in die Nische.
»Möchten Sie etwas trinken, Helen?«, fragte er.
»Ja«, sagte ich und war von meiner aufmüpfigen Haltung selbst überrascht. »Ich nehme einen Orgasmus auf dem Fahr rad.« Gibt’s natürlich nicht, klar.
Er machte eine Geste zu dem Barkeeper und sah mich dann
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