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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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das Minimum bezahlt. Aber auf der dritten hatte er noch Spielraum – in den meisten Monaten hatte er den gesamten ausstehenden Betrag bezahlt. Nach dem, was darauf abgerechnet wurde, nahm ich an, dass er diese Karte für Ausgaben im Rahmen seiner Arbeit benutzte: Flüge, Hotels – das Sofitel in Istanbul, zum Beispiel – und Auszahlungen von Geldautomaten in Kairo und Beirut.
    Einkommen? Unregelmäßig. Aber hin und wieder doch. Ein rascher Überblick über die letzten beiden Jahre ergab, dass seine Ausgaben seine Einnahmen nicht überstiegen. Merkwürdig. Aber es gibt tatsächlich solche Menschen auf der Welt. Meine Schwester Margaret ist auch eine von denen.
    Inzwischen hatte ich eigentlich genug erfahren, insbesondere da die neuesten Auszüge zwei Wochen alt waren und keine Auskunft über Waynes heutigen Aufenthaltsort gaben, aber ich konnte nicht aufhören zu lesen.
    Meine Güte, es war faszinierend, wofür er sein Geld ausgab. Ein Abonnement für die Zeitschrift Songlines . Ein Dauerauftrag für das Hundeasyl. Interessant, dreiundvierzig Euro für die Pâtisserie Valerie. Auf diese Weise kann man ein ganzes Leben rekonstruieren. Seine Kfz-Versicherung war bezahlt, seine Gebäudeversicherung war bezahlt, offenbar war er ein grundsolider Bürger.
    »Helen!«, sagte Jay und unterbrach meine Lektüre.
    »Oh … Moment. Hast du irgendwo ein Ladegerät gesehen?«
    »Nein.«
    Ich auch nicht. Das konnte bedeuten, dass Wayne es mitgenommen hatte. Und das wiederum minderte die Wahrscheinlichkeit, dass er zum Mitkommen gezwungen worden war.
    »Was war in der Post, die du, obwohl es das Briefgeheimnis verletzt, aufgemacht hast?«
    »Nichts. Nichts Nützliches jedenfalls. Ein paar Fan-Briefe. Ein Brief von seiner Privatversicherung mit der Bestätigung, dass er den Jahresbeitrag bezahlt hat.«
    »Keine Drohbriefe von der Steuerbehörde, weil er denen ein Vermögen an Steuern schuldet?«
    »Nein.«
    Waynes Schulden waren also nicht so groß, dass sich dafür das Weglaufen lohnte. Aber immerhin groß genug, dass die geplanten Auftritte mit den Laddz willkommen waren. Schwierig, daraus etwas zu schließen. Ich musste mir einfach Zugang zu seinem Computer verschaffen …
    »Jetzt«, sagte ich, »das Badezimmer.«
    Oh, was für ein schönes Badezimmer. Die Wände waren in Gebrüll gestrichen, die Decke in Jesus am Kreuz .
    »Was hat er bloß mit den Farben?«, fragte Jay. »Das ist ja wie im Horrorfilm hier.«
    Beim Waschbecken lagen weder Zahnbürste noch ein Ladegerät, ein weiterer Beweis dafür, dass Wayne wahrscheinlich aus eigenem Antrieb gegangen war. Auf der Fensterbank und den Borden standen jede Menge Flaschen mit Shampoo, Conditioner, Sonnencreme, Aftershave und anderen Sachen, die von Männern wie Frauen benutzt werden konnten. Unmöglich festzustellen, ob kürzlich etwas weggenommen worden war.
    Den Badezimmerschrank ließ ich mir bis zum Schluss. Rasierer, Zahnseide, normale Schmerzmittel und – aha! – eine kleine braune Flasche mit – aha! – Stilnox. Ein beliebtes – bei mir sogar sehr beliebtes – Schlafmittel, nur dass mein Arzt es mir nicht mehr verschrieb. Es juckte mich, diese kleine braune Flasche mit Vergessenspillen in meine Tasche gleiten zu lassen, aber das ging natürlich nicht, ich arbeitete schließlich professionell. Außerdem lauerte neben mir Jay Parker.
    »Er hat Schlafprobleme«, sagte ich.
    »Wer hat die nicht?«
    »Schuldgefühle, Jay?«
    »Los, weiter.«
    »Nehmen wir uns die Küche vor.« Ich rannte nach unten. »Durchsuch du den Abfall«, sagte ich zu Parker, denn dass ich das nicht machen würde, war wohl klar. Wayne hatte einen von diesen Mülleimern mit vier Abteilungen zur Wiederverwertung: Glas, Papier, Metall und Hausmüll (also Essensreste).
    Ich ging an den Kühlschrank. »Keine Milch«, sagte ich. »Gut, das gefällt mir.«
    »Wie bitte?«
    »Milch kaufen. Das ist so erbärmlich. Wozu braucht man die?«
    »Man tut sie in den Tee.«
    »Wer trinkt schon Tee?«
    »Dann in Kaffee.«
    »Wer trinkt Kaffee mit Milch? Oder wer trinkt Kaffee, wenn er Cola light trinken kann? Wenn man erst anfängt, Milch zu kaufen … also … dann heißt das, man hat den Mut verloren.«
    »Mann, Helen, ich habe dich so vermisst, dich und deine verrückten Ideen. Aber es kann ja sein, dass Wayne Milch gekauft und sie weggekippt hat, bevor er getürmt ist.«
    »Hast du eine leere Milchpackung gefunden?«
    »Noch nicht … He! Sieh dir das an!«
    »Was denn?«
    »Kuchen!« Parker fischte die Reste

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