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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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genau, vor neun Monaten ungefähr.«
    Vor neun Monaten? Das war lange her, und er hatte immer noch ein Foto von ihr im Gästezimmer liegen, das Traurigkeit ausströmte.
    »Haben Sie eine Nummer von Birdie?«
    »Muss ich erst suchen. Ich schicke sie Ihnen per SMS.«
    »Und eine Gloria kennen Sie wirklich nicht?«
    »Wirklich nicht.«
    Irgendetwas war da. Ein Flackern, ein Zucken, mit dem bloßen Auge kaum wahrzunehmen, aber es war da. Ich müsste später noch mal nachhaken, jetzt würde ich keine Auskunft von ihm bekommen. Wenn man diese Arbeit eine Weile gemacht hat, lernt man, was man vorantreiben kann und was man ruhen lassen muss. Zeit, es aus einer anderen Richtung zu versuchen.
    »Stehen Sie mit Waynes Eltern in Kontakt?«
    »Seine Mutter hat heute gegen sechs angerufen und gefragt, warum er nicht ans Telefon geht. Seine Eltern haben keine Ahnung, wo er sein könnte. Er hat eine Schwester, Connie, die auch in Clonakilty lebt, und einen Bruder, Richard, er lebt im Staat New York. Wayne ist bei keinem von ihnen.«
    »Ja, aber … wenn er bei seiner Familie unterschlüpfen wollte, würde man Ihnen das wohl kaum sagen, oder?«
    John Joseph sah verwirrt aus. »Warum würde Mrs. Diffney mich dann anrufen? Außerdem verstehen Sie das nicht. Ich kenne sie schon sehr lange, ich bin fast so etwas wie ein Sohn für sie. Sie würden mich nicht belügen. Glauben Sie mir, er ist bei keinem von ihnen, und seine Familie ist ebenso besorgt um ihn wie ich.«
    Die Bestätigung dieser Auskunft müsste ich selbst einholen, aber es klang irgendwie authentisch. Ich würde die Fahrt nach Clonakilty eine Weile rausschieben.
    Den Bruder in New York konnte ich zum Glück ganz fallen lassen: Ohne Pass war es unmöglich, dass Wayne in die Staaten reiste.
    »Ich brauche die Namen, Adressen und Telefonnummern von den Leuten in Clonakilty.«
    »Die habe ich«, rief Jay mir vom anderen Ende des Sofas zu. »Ich schicke sie dir gerade per SMS.«
    Ich wandte mich wieder John Joseph zu. »Raucht Wayne?«
    »Nein. Hat vor Jahren damit aufgehört.«
    Gut, also waren die Feuerzeuge in seiner Schublade nur für die Duftkerzen.
    »Hat er eine Putzfrau?«
    »Nein. Carol – also seine Mutter – hat ihn gut erzogen. Und er findet Putzen entspannend.«
    Jay Parker schnalzte verächtlich, und ich bedachte ihn mit einem eiskalten Blick, denn zufälligerweise fand ich Hausarbeit ebenfalls entspannend. Bis vor Kurzem war mir Schmutz gar nicht aufgefallen. Ich hätte glücklich in einem Erdloch gelebt, solange man dort SkyPlus empfangen konnte, aber in dem Moment, da ich meine eigene Wohnung bezog, verstand ich endlich den Reiz von Saugen und Putzen – die Befriedigung, den Stolz … Aber zurück zu Wayne.
    »Hat er irgendwelche gesundheitlichen Probleme, von denen wir wissen sollten?«
    John Joseph zuckte hilflos mit den Schultern. »Wir sind Männer, wir sprechen nicht über solche Sachen. Er könnte Hodenkrebs haben, seine Eier könnten ihm abgefallen sein, er würde trotzdem einfach über Fußball reden.«
    »Wo wir beim Thema sind: Welchen Verein unterstützt er?«
    »Liverpool. Aber ganz normal, er ist nicht, wie soll ich sagen, besessen oder verrückt oder so.«
    »Mir fiel auf, dass er ein paar …« Ich konnte mich kaum überwinden, das Wort zu sagen, so sehr verabscheute ich es, »… spirituelle Bücher und so in seinem Schlafzimmer hat. The Wonder of Now , solchen Scheiß.«
    »Ach, er kauft dauernd Bücher von Amazon, aber er liest sie nicht.«
    »Die nächste Frage ist schrecklich, aber ich muss sie trotzdem stellen.«
    John Joseph sah mich alarmiert an.
    »Macht Wayne … Yoga?«
    »Um Gottes willen, nein!«
    »Oder meditiert er?«
    »Nein! Er ist ein ganz normaler Mann«, sagte John Joseph. »Beachten Sie diese blöden Bücher gar nicht.«
    Oh, mein Gott! In dem Moment kam Zeezah herein, John Josephs neue Frau, und plötzlich war mir alles andere gleichgültig. Zwar hatte ich Zeezahs Hochzeitsfoto auf dem Cover von Hello! gesehen, aber ich wollte sie doch sehr gern in ihrer viel gepriesenen körperlichen Schönheit bewundern. Ich weidete mich an ihrem Anblick und überlegte mir Ausdrücke, mit denen ich sie Menschen, die ich mochte, später beschreiben konnte. Stramm und schmollend. Internationale Föhnfrisur. Weiße Reithosen. Auf Hochglanz polierte Reitstiefel. Kurze Jacke mit eng gezurrter Taille. Konturenstift, der so dick aufgetragen war, dass er wie ein dünner Oberlippenbart aussah. Aber das Beste war eine kleine schwarze

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