Glücksfall
Wettessen aufgestellt.«
»Zeezah«, sagte ich. »Kennen Sie Waynes Freundin Gloria?«
»Gloria?« Ich könnte schwören, dass ihr Gesicht erstarrte. Nur einen winzigen Augenblick lang, aber ich hatte es gesehen. »Wer ist Gloria?«
Ich sagte nichts. Ich wartete, dass sie das Schweigen brach. Sie schüttelte den Kopf. »Ich kenne keine Gloria.«
Vielleicht stimmte das. Vielleicht bildete ich mir alles nur ein. Schließlich war ich nicht gerade in Bestform.
»Zeezah, die wichtigste Frage: Haben Sie eine Ahnung, was Waynes Passwort für den Computer sein könnte? Mit sechs Buchstaben.«
Während sie nachdachte, waren ihre Augen in die weite Ferne gerichtet, ihre Stirn war faltenfrei. Jay konnte unmöglich auch ihr eine Botox-Spritze verordnet haben, oder? Sie war erst einundzwanzig. Aber vielleicht hatte ihre Stirn keine Falten, weil sie so jung war.
»Sechs Buchstaben?« Plötzlich wurde sie lebhaft, und mein Herz machte einen Sprung. »Ich weiß!«, rief sie. »Könnte Zeezah sein, oder?« Sie kicherte, und ich versuchte, höflich, aber matt, ebenfalls zu lachen, was aber keine so gute Idee schien, denn es klang wie das Heulen eines Seehundes, und die anderen sahen mich verschreckt an. Und dabei hatte ich das Gefühl, als hätte ich mir eine Muskelzerrung im Brustkorb zugezogen.
8
U nd jetzt?« Wir standen vor John Josephs Haus. Ich war müde. Nett zu Menschen zu sein war gegen mein Naturell, aber Informationen bekam man von ihnen nur, wenn man sich bei ihnen beliebt machte.
»Ich fahr dich nach Hause«, sagte Jay.
Bei seinen Worten überkam mich ein entsetzliches Gefühl. Den ganzen Tag hatte ich mir gewünscht, es möchte Abend werden, doch jetzt, da der Himmel dunkel war, schien alles noch bedrohlicher. Ich hatte Angst, nach oben zu gucken, weil ich mir sicher war, ich würde zwei Monde im Himmel hängen sehen. Ich hatte das Gefühl, mich einer katastrophalen kosmischen Verwandlung unterzogen zu haben und jetzt auf einem anderen Planeten zu leben, einem, der oberflächlich gesehen der Erde ähnelte, aber nicht die Erde war. Und alles an diesem Planeten war falsch, er funktionierte über andere Schwingungen. Er war düster und unheilvoll, auf unbestimmbare und schreckliche Art.
»Wir könnten zu Frankie fahren«, sagte ich verzweifelt.
»Um ein Uhr morgens?«
»Er und Myrna haben doch gerade Zwillinge aus Honduras importiert. Wahrscheinlich ist der ganze Haushalt wach.«
»Es heißt ›adoptiert‹ – es geht schließlich nicht um eine Kiste Bananen –, und woher weißt du das?«
»Aus den Zeitschriften. Mum und Claire kaufen sie alle. Schick Frankie eine SMS.«
Frankie Delapp: der Schwule. Seit die Laddz sich getrennt hatten, war sein Leben bunt und vielfältig verlaufen. Erst hatte er ein Restaurant eröffnet, das ein Reinfall war und ihn mit einem Schuldenberg zurückließ. Dann hat er ein Kosmetikstudio aufgemacht, und auch das war zum Scheitern verurteilt. Danach war er bankrott. Aber der größte Skandal kam, als er sich als Hetero outete. Seine Fans waren sprachlos, seine Beliebtheit ging drastisch zurück. Über Nacht wurde er in die Wüste geschickt, wo er viele Jahre gemieden und missachtet verbrachte, aber in den letzten sechs Monaten hatte sein Leben eine erstaunliche Kehrtwende erlebt. Irgendwie war es ihm gelungen, einen regelmäßigen Auftritt als Filmkritiker in A Cup of Tea and a Chat zu bekommen, der Nachmittagsshow auf RTÉ. Niemand wusste, wie er da reingekommen war, denn er hatte so gut wie keine Ahnung von Filmen und galt gemeinhin nicht als besonders spritzig.
Aber gab es im Leben nicht immer wieder die absonderlichsten Zufälle – wie zum Beispiel einen lokalen Ausbruch von Tuberkulose? Und plötzlich war Frankie der beliebteste Mann in Irland. Er war liebenswürdig und freundlich, und die Menschen teilten seinen populistischen Geschmack. Alle Filme mit Jennifer Aniston kriegten automatisch fünf Sterne, mit einem Oscar ausgezeichnete hingegen nur zwei. »Ich habe mich gelangweilt, Schätzchen. Es war sehr öde , und was sie anhatten – zum Verzweifeln. Ich musste mittendrin rausgehen und mir noch mal was zu knabbern holen.«
Er war bei allen beliebt, vom Maurer bis zur Nonne, und der Satz »Was hält Frankie davon?« war sofort in aller Munde. Von einem Tag auf den anderen wollten die Menschen seine Meinung hören, zu allem, nicht nur zu Filmen, und bevor man sichs versah, verschwand eine der Hauptmoderatorinnen von A Cup of Tea and a Chat in einer Säuberungsaktion
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