Glücksfall
Arzt, außerdem kommt Jay Parker, um mir einen Schlüssel zu bringen.«
Ihre Augen bekamen einen verträumten Ausdruck. »Ich verstehe nicht, warum du dich von Jay Parker getrennt hast. Ihr beide zusammen wart perfekt.«
Ich warf ihr einen kalten Blick zu. »Perfekt, inwiefern?«
»Ihr wart beide … also … es war lustig mit euch.« Sie sagte das etwas verlegen, es ist ihr immer schon schwergefallen, etwas Freundliches über ihre Kinder zu sagen. So ist das in ihrer Generation. Mum wollte nicht, dass wir ein starkes Selbstbewusstsein entwickelten. Ich glaube, es gibt da ein Gesetz, wonach irische Mütter gerichtlich belangt werden können, wenn bei einer ihrer Töchter Zeichen von normalem Selbstwertgefühl beobachtet wurden. Zufälligerweise hatte ich ein gutes Selbstwertgefühl, aber das habe ich mir selber zulegen müssen, und sollten die entsprechen den Leute das jemals rausbekommen, könnte es für Mum eine Menge Ärger bedeuten.
»Ich dachte, dir gefällt Artie.«
Nach einer langen Pause sagte sie: »Artie ist recht eigen.«
»Wieso klingt das bei dir wie eine üble Beleidigung? Meinst du damit, er schleimt sich nicht so bei dir ein wie Jay Parker?«
»Nicht jeder hat solchen Charme.«
»Ich hatte ›Schleim‹ gesagt, nicht ›Charme‹.«
»Bei Artie, also, das ist schwierig, oder? Mit der Exfrau, die gar nicht so richtig ex zu sein scheint …«
»Sie ist ex. Sie ist ganz und gar ex.« Ich machte mir über alles Mögliche Sorgen, aber eine nicht abgeschlossene Beziehung zwischen Artie und Vonnie gehörte nicht dazu.
»Aber sie ist dauernd bei ihm im Haus.«
»Sie sind befreundet, sie sind zivilisiert, sie sind …« Wie sollte ich es erklären? »Sie gehören zur Mittelschicht.«
»Wir gehören auch zur Mittelschicht, aber wir machen so etwas nicht.«
»Ich glaube, wir sind in der falschen Mittelschicht. Sie sind liberal.«
»Das stimmt, wir sind nicht im mindesten liberal.« In ihrer Stimme lag eine gewisse Befriedigung. »Aber mit den drei Kindern, da mutest du dir eine Menge zu.«
»Gar nichts ›mute ich mir zu‹. Ich besuche ihn, ich habe wunderbaren Sex mit ihm …«
»Oh!« Sie heulte auf und zog sich die Strickjacke über die Augen.
»Hör sofort auf damit!«
»Und wenn du nun eigene Kinder haben willst?«
»Ich will keine Kinder.«
»Warum willst du dir dann die Kinder von einem anderen zumuten? Und gleich drei. Einer davon ein Neonazi.«
»Er ist kein richtiger Neonazi, ich hätte das nicht sagen sollen, er mag nur deren Stil.«
»Und die kleine Bella. Sie ist ganz verrückt nach dir.«
Das stimmte allerdings.
Und es machte mir Sorgen. Ich wollte nicht, dass jemand zu sehr an mir hing.
Ich las meine Mails. Gute Nachrichten und schlechte Nachrichten. Nein, sagen wir einfach, schlechte Nachrichten. Ich hatte Antworten von meinen beiden Kontakten – was gut war –, und beide weigerten sich, mir zu helfen – und das war offensichtlich schlecht.
Um ehrlich zu sein, war ich nicht ganz aufrichtig, als ich zu Jay Parker sagte, er habe zu viele Filme gesehen. Es ist durchaus möglich, sich Zugang zu privaten Telefon- oder Bankdaten zu verschaffen.
Wenn man bereit ist, dafür zu bezahlen.
Und wenn man bereit ist, gegen das Gesetz zu verstoßen.
Früher einmal gaben Menschen, die Zugang zu vertraulichen Informationen über andere hatten, diese unbekümmert weiter – natürlich im Gegenzug für Geld oder Vergünstigungen oder »Geschenke« –, aber seit es die Datenschutzgesetze gibt, hat sich das geändert. Hin und wieder werden Menschen entlassen oder sogar strafrechtlich verfolgt, weil sie ein paar Informationen, zum Beispiel über die Vorstrafen eines Menschen, weitergegeben haben. Dadurch ist meine Arbeit um vieles schwerer geworden.
Aber vor ein paar Jahren hat ein sehr erfolgreicher Privatdetektiv in Dublin, in der Hackordnung viele Stufen über mir, mich mit zwei Kontakten in Verbindung gebracht, die Gold wert sind: einer für Telefonüberwachung, der andere für Finanzen. Weil ich ihm in einer Sache geholfen hatte, stellte er zur Belohnung die Verbindung her. Natürlich lernte ich die Leute nicht persönlich kennen. Ich wusste so gut wie nichts über diese beiden, außer dass sie von England aus operierten und dass sie – wahrscheinlich, weil ihre Arbeit komplett illegal war – sehr teuer waren.
Ich nahm sie nicht sehr oft in Anspruch, hauptsächlich, weil meine Klienten nicht über ausreichend Kleingeld verfügten.
Aber vor ungefähr achtzehn Monaten
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