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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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arbeitete ich an einer Ehegeschichte und stieß dauernd, wie ich mich auch drehte und wendete, an eine Wand, sodass ich am Ende voller Frustration die Geduld verlor und, ohne mich vorher bei meinem Klienten abzusichern, beide Kontakte einschaltete.
    Sie lieferten mir Bank- und Telefonangaben, die offen gestanden erstaunliche Einblicke gewährten, aber meine Klientin – eine Frau, die ihren Mann verdächtigte, sie zu betrügen und Geld zur Seite zu schaffen – verschloss sich plötzlich den Tatsachen. Ihre Ehe sei völlig intakt, alles in bester Ordnung, und mit diesen »widerwärtigen Lügen«, wie sie die Informationen bezeichnete, wolle sie ganz gewiss nichts zu tun haben.
    Sie weigerte sich, mein Honorar zu bezahlen. Wir rangen wochenlang miteinander, aber als sie drohte, mich der Polizei zu melden, musste ich die Sache fallen lassen – und konnte folglich meine Auskunftgeber nicht bezahlen. Und weil in diesem Bereich so viel auf Vertrauen fußt, hatte ich zwei gute Verbindungen ruiniert. Drei sogar, weil auch der Privatdetektiv, der mir die Kontakte zugeschanzt hatte, nichts mehr mit mir zu tun haben wollte.
    Als wir in der Nacht zuvor auf dem Weg zu Roger St Leger waren, hatte ich zwei Mails mit Anfragen geschickt, eine an den Telefonmann, die andere an den für Bankinformationen, hatte versprochen, meine Schulden zu begleichen und für mögliche neue Informationen einen Vorschuss zu bezahlen. Aber ich setzte keine große Hoffnung darauf, dass sie mir verzeihen würden.
    Und so war es dann auch. In meinem moralischen Universum gab es daran nichts zu beanstanden: Wenn dir jemand übel mitspielt, verschwendest du deine Zeit nicht mit bitteren Gefühlen, sondern lässt ihn eiskalt fallen.
    Ja. So weit, so gut, wenigstens theoretisch. Aber seien wir ehrlich, bittere Gefühle können ganz schön guttun. Außerdem war ich auf die Hilfe dieser Kontakte angewiesen, weswegen ich beschloss, ihnen eine weitere Mail zu schicken, mit noch blumigeren Entschuldigungen und, ganz wesentlich, dem Angebot von mehr Geld. Ich drückte auf »Senden«. Ich konnte nur abwarten.
    Dann sah ich nach, ob John Joseph mir die Angaben über Birdie Salaman geschickt hatte. Hatte er nicht. Aufgrund meiner eigenen Bemühungen hatte ich ja längst eine Adresse und eine Festnetznummer von Birdie, was mir weiterhalf, aber ich fand es … also, ich fand es interessant, dass ich nichts von ihm gehört hatte, noch nicht einmal die Nachricht, dass er nichts finden konnte.
    Mein Telefon klingelte. »Helen, Shannon hier, Praxis Dr. Waterbury, mit guten Nachrichten. Er hat Zeit für dich, wenn du innerhalb der nächsten Viertelstunde hier sein kannst.«
    Fünfzehn Minuten, fantastisch! Das hieß, ich brauchte nicht einmal so tun, als hätte ich vor zu duschen.
    Aber anziehen, das könnte ein Problem sein. Alle Sachen waren in Kartons verpackt und nach dem Zufallsprinzip im Haus verteilt, und ich hatte keine Ahnung, was wo war, weil ich in einem so schlimmen Zustand gewesen war, als ich mein Leben verpacken und aufteilen musste.
    Für meinen jämmerlich kurzen Nachtschlaf hatte ich einen von Dads Schlafanzügen aus der Bügelwäsche gezogen, aber ich konnte unmöglich den ganzen Tag lang in den Klamotten älterer Menschen rumlaufen. Ich war nicht Alexa Chung.
    Ich rief meine Schwester Claire an, aber ihre Mailbox schaltete sich ein. Sie ging nie ans Telefon, weil sie nie rechtzeitig rankam, es lag immer irgendwo tief vergraben in ihrer Einkaufstasche von Louis Vuitton, und manchmal überlegte ich, wie viele Wochen ihres Lebens sie wohl schon damit verschwendet hatte, sich alte Telefonnachrichten anzuhören. »Ich bin’s«, sagte ich. »Ich brauche was zum Anziehen. Könntest du ein paar Sachen vorbeibringen? Sieh dich auch bei Kate um.«
    Claire war fast dreißig Zentimeter größer als ich, aber ich war bereit, Hosen hochzukrempeln und Hemden in die Hose zu stopfen, denn ihre Sachen waren todschick. Hinzu kam die erfreuliche Tatsache, dass sie eine sehr gut angezogene siebzehnjährige Tochter hatte, die ungefähr so groß war wie ich.
    Noch während ich sprach, machte ich einen der Kartons auf und zupfte an den Sachen, die zuoberst lagen. Buntes kam mir entgegen und fiel zu Boden – Strandkleider, Bikinis –, offenbar hatte ich den Karton mit den Urlaubssachen aufgemacht. »Nur für ein, zwei Tage«, sagte ich. »Bis ich mich sortiert habe.«
    Ich öffnete den nächsten Karton und fand drei Kaschmir-Strickjacken, die ich nie hätte kaufen sollen.

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