Glücksfall
uns auf den Weg nach Sandymount. Hinter mir wurde geschubst und gemeckert, weil es so eng war.
Ich fuhr schnell. An der Waterloo Road hatten wir eine gelbe Ampel vor uns, ich drückte aufs Gaspedal, und wir rauschten über die Kreuzung, als die Ampel auf Rot schaltete. Hinter mir rief Roger St Leger: »Schneller!«
»Himmel«, sagte Jay Parker. »Wie in alten Zeiten.«
Das dachte ich auch. In meinem Kopf lief gerade ein Film mit dem Titel: Als Jay Parker mein Geliebter war. In dem Film sah ich, wie Jay und ich in diesem Auto mit Höchstgeschwindigkeit zu einer Verabredung fuhren, von der Jay mir vorher nichts gesagt hatte und zu der wir zu spät kommen würden. »Das geht so nicht, immer alles in letzter Minute!« Meiner Erinnerung nach hatte ich mich fortwährend beschwert, aber in dem Film schien ich ausgelassen und bester Stimmung. Wir hatten viele Abende damit zugebracht, von Pubs zu Clubs zu Partys zu rasen, wo wir neue Freunde kennenlernten und andere verloren. »Ich bin Geschäftsmann«, hatte Jay immer gesagt. »Ich halte mich nicht an Zeiten.«
»Was für eine Art von Geschäftsmann?«, hatte ich jedes Mal gefragt und jedes Mal eine andere Antwort bekommen.
»Ich bin im Gastronomie-Gewerbe«, behauptete er eines Abends.
»Das sagst du heute! Gestern hast du versucht, den Verkauf eines Mähdreschers einzufädeln.«
»Ja, stimmt«, sagte er lachend. »Man muss das Netz möglichst breit auswerfen …«
Er war erstaunlich: Er kannte die unterschiedlichsten Menschen – Bauern, Kosmetikerinnen, Banker, Leute im Staatsdienst, kleine Gangster –, und immer führte er irgend etwas im Schilde. Er hatte seine Finger überall drin, wo etwas köchelte, er bewegte sich in einem komplexen Netz von Kontakten. Ich hatte überhaupt keinen Überblick und mochte es nicht, wenn er mich im Dunkeln ließ. Eigentlich war gern ich die Geheimnisumwitterte in einer Beziehung, aber Jay Parker war darin viel besser als ich.
Ständig schlug er neue Treffpunkte vor und machte mich mit neuen Leuten bekannt, immer wieder überraschte er mich – »Ich habe dem Typen gesagt, wir treffen uns auf ein Bier – in Kopenhagen! Kommst du mit?«
Na ja. Der Film Als Jay Parker mein Geliebter war entpuppte sich als Reinfall. Vielversprechende Eröffnungsszenen, das schon, und ein interessanter Mittelteil, aber am Schluss eine bittere Enttäuschung.
29
I ch klingelte bei Daisy und Cain, und Artie machte auf. Er warf einen Blick auf die Truppe, seufzte, sagte aber nichts. Es war lächerlich, wie stolz ich war, dass er ein so stattlicher und attraktiver Mann war, als wäre ich persönlich für sein gutes Aussehen verantwortlich. Dennoch beschloss ich, ihn nicht als meinen Freund vorzustellen, falls ich seinen professionellen Status dadurch kompromittierte.
Wir gingen hinter ihm her durch den Flur ins Wohnzimmer, wo die Officers Masterson und Quigg – ein Mann und eine Frau – bei Cain und Daisy saßen, die beide überaus betretene Mienen machten.
Dann, als die Laddz, Jay und Zeezah in ihr Wohnzimmer drängten, das so schon voll genug war, blickten sie überrascht auf. Sie staunten mit offenem Mund, als vor ihnen Menschen standen, die sie bisher nur in Hochglanzmagazinen gesehen hatten. Auch die Polizisten wirkten überwältigt.
»Ich würde ja gerne alle miteinander bekannt machen«, sagte ich, »nur wären wir dann den ganzen Abend hier.«
»Sind Sie … Zeezah?« Daisy war so fassungslos, dass es aussah, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen.
»Das ist Zeezah«, sagte ich. »Aber sie wird keine Fragen beantworten.«
»Und ich bin Frankie Delapp«, sagte Frankie. »Mich kennen Sie bestimmt aus dem Fernsehen.«
»Still jetzt«, sagte ich. »Kommt alle rein.« Ich pferchte die Meute hinter mir zusammen, sodass sie Daisy und Cain, die auf der Couch saßen, gegenüberstanden. Ich blieb stehen, um die Sache während der Befragung besser im Griff zu haben. Außerdem waren die Sitzplätze schon besetzt. Zu dem Zeitpunkt waren wir zu elft in dem Raum. Die Tapete, die bei so vielen Besuchern vollends aus dem Häuschen geriet, sprang vor und zurück wie nichts Gutes.
»Was also wird gespielt?« Ich richtete die Frage an Artie, weil ich hoffte, von ihm am ehesten eine vernünftige Antwort zu bekommen. »Wo ist Wayne? Ist er inzwischen gefunden worden?«
»Es ist besser, die beiden berichten«, sagte er mit einem Nicken zu Daisy und Cain. »Daisy, wollen Sie anfangen?«
Daisy sprach und hielt dabei die Augen gesenkt. »Wir haben
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