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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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ehrlich gesagt ein bisschen wie bei den Waltons. Ich fragte immer wieder nach, um ein klareres Bild zu bekommen.
    Sie gingen oft ins Kino. »Auch Iona?«, fragte ich überrascht. In meinem Kopf waren Iona und Claires Tochter Kate zu einer Person verschmolzen, und Kate würde nach meiner Vorstellung nur ins Kino gehen, wenn sie die Absicht hatte, es abzufackeln. »Natürlich, Iona auch«, sagte er.
    Vor ein paar Wochen hatten sie zusammen einen Brotbackkurs gemacht, und im Januar wollten sie einen Tages kurs »Vietnamesisch Kochen« machen, zu viert. »Iona auch?«, fragte ich wieder.
    »Ja, Iona auch«, sagte er. »Warum nicht?«
    Sie gingen in Wicklow spazieren.
    »Geht ihr etwa … wandern?« Ich war drauf und dran, meine funkelnde Abendtasche zu nehmen und das Restaurant zu verlassen. Mit Leuten, die wanderten, wollte und konnte ich nichts zu tun haben.
    »Nein, nicht wandern.« Er lachte. »Wir gehen spazieren.«
    Irgendwann wurde die Vorspeise serviert, und ich aß, ohne recht zu bemerken, was genau ich zu mir nahm. Dann kam der Hauptgang, und es war wieder so.
    »So, Helen, jetzt bin ich sehr, sehr lästig«, sagte Artie. »Er zähl mal etwas von dir. Was machst du so?«
    Ich dachte nach. »Nichts. Außer dass ich arbeite, aber auch das ist zurzeit ziemlich flau, also mache ich im Grunde nichts.«
    »Nichts?«
    »Nichts. Ich treibe keinen Sport, ich lese nicht, ich spiele nicht gern, ich mache mir nichts aus Essen, ich lebe von Käse und Farmersalat mit Brot.« Leicht verstört sagte ich: »Himmel, mir war gar nicht klar, wie langweilig ich bin.«
    »Aber langweilig bist du nicht im Mindesten.«
    Das gab mir neuen Mut. »Ich sehe mir oft DVDs an. Skandinavische Krimis, zum Beispiel. Manchmal gehe ich auch ins Kino. Wenn ein skandinavischer Krimi kommt. Und ich sehe mir gern irgendwelchen Quatsch auf YouTube an, fette Schweine, die Stepptanz machen, so was. Und ich kaufe gern ein, besonders Schals und Halstücher. Das ist schon alles, Artie, das bin ich in Kürze.«
    »Magst du Tiere?«
    »In Wirklichkeit? Nicht auf YouTube? Nein. Ich hasse Tiere. Hunde besonders.«
    »Kunst? Theater? Musik?«
    »Nein. Nein. Nein. Hasse all das. Besonders Musik.«
    »Steht ihr euch in der Familie nah?«
    Ich überlegte. »Nah« konnte man es wohl nennen. »Wir stehen uns schon nah«, sagte ich zurückhaltend. »Aber wir sind sehr gemein zueinander. Heute Morgen habe ich meiner Mutter erklärt, wenn sie nicht aufhört, sich alt zu benehmen, würde ich mich für ein Gesetz starkmachen, wonach jeden Montagmorgen ein Bus durch die Straßen fährt und alle alten Leute einsammelt, die sich beklagen, dass sie den Fernseher nicht hören oder die Tasten auf ihrem Handy nicht erkennen können oder dass sie Hüftschmerzen haben. Dann würden sie in einem geschlossenen Heim untergebracht. Aber ja, wir sind uns nah.«
    »Und wie ist es mit deinen Schwestern?«
    »Wir sind uns sehr nah. Obwohl zwei in New York leben.«
    »Und Freunde?«
    Das war ein heikles Thema. »Zurzeit keine. Aber das ist nicht meine Schuld, ich erzähle es dir ein andermal. Wie ist das also mit deinen Kindern? Muss ich sie kennenlernen und mit ihnen zu dem Brotbackkurs gehen und das alles?«
    »Nein.« Plötzlich war er ernst. »Bella hast du ja schon ken nengelernt, und das ist etwas schwierig, weil sie dauernd nach dir fragt, aber es ist besser, wenn du die anderen nicht kennenlernst.«
    »Ach sooo.«
    »Wenigstens vorerst nicht«, fügte er hinzu.
    »Habe ich dich richtig verstanden? Du möchtest mich als dein Sexhäschen haben, und deine Kinder bekommen deine Liebe und Zuneigung und den Löwenanteil von deiner Zeit?«
    »So krass würde ich das nicht ausdrücken«, sagte er.
    »Du verstehst mich falsch«, sagte ich. »Das passt mir sehr gut. Ich will keine eigenen Kinder – ich meine, vielleicht in siebzig Jahren, wenn ich etwas erwachsener geworden bin, aber mit Sicherheit nicht jetzt, und mit Sicherheit will ich nicht verantwortlich für die Kinder anderer Leute sein.«
    »Verstehe.«
    »Artie, lass uns aufrichtig miteinander sein. Du bist nicht mein Typ.«
    Er setzte eine Miene höflichen Interesses auf. »Und wer ist dein Typ?«
    Sofort sah ich Jay Parker vor mir, Jay mit seiner Energie, seinem sprudelnden Temperament, seiner elementaren Unzuverlässigkeit.
    »Das spielt jetzt keine Rolle«, sagte ich. »Wichtig ist nur, dass du es nicht bist. Und mir gefällt nicht, was du alles mitbringst. Andererseits, die Vorzüge.« Ich zählte sie an meinen Fingern auf.

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