Glückskekssommer: Roman (German Edition)
jetzt noch? Vielleicht stammen wir ja aus einem geheimen Fortpflanzungslabor? Genetisch optimiert. Ich traue ihnen alles zu. Auch wenn nichts mehr zu retten ist – sie sollen mir jetzt sofort erklären, was sie sich dabei gedacht haben, so einen gigantisch großen Blödsinn zu verzapfen.
So schnell ich kann, haste ich aus dem Keller. Es geht erstaunlich flink, allerdings nur, wenn ich das Stechen in meinem Fuß ignoriere. Wut verleiht ungeahnte Kräfte.
»Rosa! Warte doch.« Sebastian will mich aufhalten, aber Oma bremst ihn.
»Lass sie«, sagt sie ganz ruhig. »Der Moment könnte zwar etwas passender sein. Aber sie hat das Recht, so wütend zu sein.«
Der erneute heftige Schmerz in meinem Fuß bewirkt, dass ich langsamer gehen muss.
Als ich den Garten betrete, sehe ich sie alle. Lila und Rob sitzen mit meinen Eltern und Susanne und Thorsten an einem Tisch. Irgendwer hat einen Witz gemacht. Sie lachen und Onkel Thorsten klopft Rob freundlich auf die Schulter. Lilas Wangen sind zart gerötet. Sie schaut ihren Freund strahlend an und legt ihren Kopf an Susannes Schulter. Die gibt ihr einen Kuss aufs Haar.
Langsam gehe ich auf sie zu. Und dabei sehe ich (genüsslich!) vor mir, was gleich passieren wird. Eine Bombe wird platzen. Ich werde meine Eltern anschreien, sie schonungslos mit der Wahrheit konfrontieren. Sie werden entsetzt aufspringen, weinen und nicht begreifen, dass ihr eben noch so schönes Leben in Scherben vor ihnen liegt.
Na und? Dann müssen sie es eben wieder zusammenkleben. Das geht. Ich habe es doch selbst gerade hinter mir. Mit sehr zweifelhaftem Ergebnis allerdings, denn jetzt ist schon wieder alles kaputt. Und daran haben nur diese vier Verrückten Schuld. Und das müssen sie jetzt büßen! Ich sammle, auf eine Stuhllehne gestützt (mein Fuß!), alle meine destruktiven Kräfte.
»Du hast eine unglaublich nette Familie, Rosi.« Jemand bläst einfach die Lunte an der Bombe aus.
Es ist Margret. Sie steht neben mir, nimmt einen Schluck aus ihrer Kaffeetasse und grinst mich fröhlich an.
»Sie sind einfach entzückend«, legt sie noch nach. »Kein Wunder, dass du so ein liebes Schätzchen bist.«
So, jetzt hat sie auch noch den Zünder demontiert. Die Bombe ist entschärft. Meine Wut verraucht. Ich bemühe mich, Margret zuliebe ein Lächeln zustande zu kriegen, aber sagen kann ich jetzt nichts. Ich glaube, wenn ich den Mund aufmache, schreie ich vor Verzweiflung.
»Dass ihr so zusammenhaltet, ist großartig«, fährt sie fort.
Was ist denn heute mit Margret los? Ein ganzer Schwall Lobeshymnen aus ihrem Mund, das ist schon seltsam genug, aber dass ihr Entzücken meiner verrückten Sippe gilt, das ist völlig unglaublich.
»Weißt du, es gibt so viele zerrüttete Familien. Meine nicht ausgenommen. Ich habe dir das noch nicht erzählt … Na ja, über so etwas spricht man ja auch nicht gern. Ich habe auch zwei Kinder und die wollen nichts mit mir zu tun haben.«
»Warum denn nicht?«
Irgendetwas muss Margret ausgefressen haben. Sie also auch! Eltern machen nichts als Ärger. Wenn das so ist, verzichte ich lieber auf eigene Kinder.
»Es ist ja nicht so, dass man als Mutter keine Fehler macht.«
Ha! Das ist wohl wahr! Vielleicht kann ich die Bombe doch noch platzen lassen.
»Aber in dem Moment, wo du dein Kind in den Armen hältst, da liebst du es … Und nichts auf der Welt kann dich je wieder davon abbringen.«
Nun ist meine Munition endgültig hin, in tausend Einzelteile zerfallen. Ein paar harmlose Splitter, weiter nichts.
»Was ist denn mit dir und deinen Kindern passiert?«
Sie zuckt mit den Schultern und ihr Gesicht wirkt wieder verschlossen. »Ach, lass mal, Rosi«, sagt sie ausweichend. »Umso schöner finde ich es, dich und deine lustige Familie zu kennen.«
Jetzt ist sie wieder die alte Margret. Allzu viel kriegt man nicht aus ihr heraus.
Onkel Thorsten ist unterdessen zu Omas fast 100-jähriger Nachbarin herübergerückt. Er gießt ihr gekonnt ein Glas Wein ein und beginnt, mit ihr zu plaudern. Er ist gelernter Kellner und kann sehr charmant sein. Papa fuhrwerkt mit Daniel und meinem Nachbarn am Grill herum. Leo ist wirklich gekommen. Sein Labrador hält gerade Pinkie und Purple erfolgreich in Schach. Der große Hund hat jetzt nämlich den Ball im Maul. Die beiden Kleinen sitzen brav vor ihm, heben ein Pfötchen und fiepen kläglich. Mama und Susanne lassen sich von Vicki ›Mittsommernacht‹ signieren. Nicht zu glauben, sie haben es auch gekauft. Sie stehen kichernd
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