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Glückskekssommer: Roman (German Edition)

Glückskekssommer: Roman (German Edition)

Titel: Glückskekssommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hohlfeld
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fülle den letzten Glückskeks meines Lebens mit Schokocreme, schiebe ihn zwischen meine Zähne und zerbeiße ihn genüsslich.
    Adieu, Glückskekse! Ihr könnt mich alle mal.
    Ich zwinkere Vicki zu. Sie lächelt mich an.
    Als ich wieder hinüber zu Frau Sonnemann gehe, sieht die Welt gar nicht mehr so schlimm aus. Die Sonne scheint und ein paar Spatzen balgen sich um Brotkrümel. Ob die auch Glückskekse mögen? Ich beschließe, ihnen lieber keine zu geben. Nachher bricht noch irgendeine neuartige Spatzenpest aus, und dann bin ich schuld am Untergang dieser niedlichen Knopfaugen. Eigentlich müsste man Glückskekse im Atommülllager Gorleben vergraben, damit sie keinen Schaden anrichten. Ich hoffe inständig, dass es eine normale Mülltonne auch tut.
    Es muss an der Schokolade liegen, dass ich mich plötzlich so viel besser fühle. Vielleicht kann mir Rob ja wirklich alles erklären heute am Abend. Auf meinem Handy sind zehn Anrufe von ihm eingegangen und fünf von Lila, alle gestern Nacht, nachdem ich weggelaufen war. Es tut ihnen also leid, was sie getan haben.
    Ich winke Vicki zu, die gerade in ihren Mini steigt und ziemlich sportlich davon düst. Es war, obwohl wir zeitweise traurig waren, ein richtig schöner Morgen mit ihr.
    Am Schaufenster steht Frau Sonnemann und winkt mir zu. Ich winke zurück und freue mich auf ein paar Stunden in ihrer sonnenbestrahlten Werkstatt.
    Heute Abend wird alles wieder gut.
     
    *
     
    Als ich in der U-Bahn sitze und nach Hause fahre, klopft mein Herz ein wenig schneller als sonst. Laut Glückskeks wartet jetzt eine Überraschung auf mich. Ich kann es selbst kaum glauben, aber ich freue mich darauf. Nach den Erfahrungen der letzten Wochen sollte ich eigentlich vorsichtiger sein. Aber ich kann nicht anders – meine Fantasie ist nicht fähig, sich irgendetwas Negatives auszudenken. Vielleicht habe ich ja ein genetisches Problem? So etwas wie debil optimistisch machende ›Translokation auf Chromosom 6‹? Gendefekte sind schwer in Mode im Moment. Darüber steht laufend etwas in der Zeitung. Also könnte ich das doch auch haben? Wo ich doch sonst kerngesund bin.
    Ich stelle mir lächelnd vor, während die Bahn durch Berlins Unterwelt rattert, wie Rob sich gleich bei mir entschuldigen wird. Ich werde ihm verzeihen und Lila auch. Dann werden wir uns weinend, aber glücklich in den Armen liegen. Jeder kann mal Fehler machen. Und jeder hat eine zweite Chance verdient. Hach!
    Ich mag meinen Gendefekt.
    Vielleicht bin ich aber einfach nur naiv.
    Mir zittern die Hände vor Aufregung, als ich zu Hause aufschließen will. Der Schlüssel will partout nicht ins Schloss passen. Schließlich muss ich klingeln. Als Lila die Tür aufmacht, bringe ich ein strahlendes Lächeln zustande.
    »Da bist du ja, Rosa«, sagt sie streng. Zwischen ihren Augenbrauen bildet sich eine steile Falte. »Und sogar ausnahmsweise pünktlich.«
    Das ist so ganz anders als eben in meinem Tagtraum. Da war ich diejenige, die huldvoll vergeben wollte. Jetzt fühlt es sich so an, als müsste Lila mir verzeihen.
    Schlagartig sind alle meine Schuldgefühle wieder da. »Kann ich reinkommen?«, frage ich kleinlaut. Hey Rosa, du musst nicht fragen, denn du wohnst auch hier.
    Lila lässt mich durch. Ich stelle meine Tasche auf die Bank im Flur. Als ich mir die Sandaletten von den Füßen streife, sehe ich es: drei dicke schwere Koffer.
    »Willst du verreisen?«, frage ich Lila. Doch in diesem Moment erkenne ich, dass es meine Koffer sind.
     
    Mit diesen alten schweren Dingern, in denen sich meine ganze Habe befand, bin ich vor ein paar Jahren bei ihr eingezogen.
     
    Warum stehen meine Koffer hier?
    »Sie sind gepackt«, beantwortet Lila meine unausgesprochene Frage. »Alle deine Sachen sind drin.«
    »Du hast meine Sachen gepackt? Warum?« Ich komme mir vor wie in einem schlechten Film.
    »Weil du nicht mehr hier wohnen kannst, Rosa. Wie du gesehen hast, bin ich jetzt mit Rob zusammen. Wie soll das deiner Meinung nach gehen?«
    »Aber es ist auch meine Wohnung«, sage ich lahm. »Ich zahle die Hälfte der Miete.«
    »Wann hast du das letzte Mal Miete gezahlt? Lass mich nachdenken.«
    Sie hat recht. Es ist ziemlich lange her. Ich hatte so wenig Geld. Aber darum geht es doch gar nicht!
    Plötzlich habe ich das Gefühl, dass mein Herz zerspringt. Was tut Lila denn da? Sie ist meine längste, beste, einzige Freundin (und meine Cousine!) und sie setzt mich einfach vor die Tür?
    »Das … Das kannst du nicht machen«, sage ich mit

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