Glückskekssommer: Roman (German Edition)
zitternder Stimme und fange an zu weinen. »Was ist denn auf einmal los mit dir?«
»Jetzt heulst du wieder«, schimpft Lila. Sie verdreht genervt die Augen. »Das ist typisch für dich. Es geht immer nur um dich. Die ganzen Jahre habe ich dich bekocht, dir Kaffee ans Bett gebracht, war immer für dich da … Jetzt habe ich keine Lust mehr.«
Hat sie recht? Geht es wirklich immer nur um mich? »Ich war doch auch für dich da«, sage ich kleinlaut.
»Ach ja?«
»Ich habe dir mit deinem Gesellenstück geholfen.«
»Das hätte ich auch allein gekonnt.«
»Und … als … Als Micha dich verlassen hat.«
»Ja, Micha, das war genau so einer, wie du es bist«, sagt sie und guckt mich böse an. »Der hat mich auch nur ausgenutzt.«
Alles, was ich für sie getan habe, ist scheinbar nichts mehr wert.
»Jetzt nehme ich mir mal, was mir zusteht«, trumpft Lila auf.
Ich erkenne meine Freundin seit Kindertagen kaum wieder. Vor mir steht eine fremde Frau. »Aber mein Freund, der steht dir nicht zu!«, schreie ich. Jetzt bin ich nicht mehr traurig, sondern wütend.
»Du kannst doch jeden haben«, brüllt sie zurück. »Du kriegst Zucker in den Po gepustet, seit du auf der Welt bist. Hast du dich schon jemals für irgendetwas oder irgendjemanden angestrengt? Du bist vom Glück verhätschelt wie die Prinzessin auf der Erbse.«
So ein Unsinn! Wem fliegt denn gerade sein ganzes Leben um die Ohren? »Du bist neidisch, ja?«, schreie ich. Vicki hatte wirklich recht.
»Die ganzen schönen Jahre mit uns und mehr als Eifersucht fällt dir dazu nicht ein?« Ich klinge kämpferischer, als ich mich fühle. In Wirklichkeit bin ich ratlos und verzweifelt, denn ich verstehe nicht, warum Lila so lange unzufrieden war und mir nie etwas gesagt hat. Ich dachte, wir wären die weltbesten Freundinnen. Dabei hat sie sich die ganze Zeit benachteiligt gefühlt.
Wäre ich ein Kind, würde ich mich jetzt vor Wut und Kummer auf den Boden werfen. Aber das war noch nicht der ganze Schrecken. Es wartet noch eine Überraschung auf mich.
Die Küchentür öffnet sich und Rob steht auf einmal im Flur. Er hat schon wieder kein T-Shirt an und als ich die festen Muskelstränge an seinem Oberkörper sehe, überkommt mich so eine Sehnsucht nach ihm. Er ist mein Freund! Wir waren immerhin drei Jahre zusammen.
»Lila, kommst du!«, sagt er und tut so, als wäre ich Luft. »Du musst die Schnitzel umdrehen. Sie brennen gleich an.«
»Ja, mein S c h a t z«, antwortet sie langsam und mit Betonung.
Sie hat sich wieder völlig im Griff, während mir Ströme von Rotz und Wasser über das Gesicht laufen.
»Wie lange geht das schon mit euch?«, frage ich. Ich starre die beiden, die so aussehen, als wären sie ein altes Ehepaar und sich genauso benehmen, fassungslos an.
Ich meine, gestern war er noch mein Freund und heute brät sie ihm schon Schnitzel? (Das habe ich die ganzen Jahre nicht für ihn gemacht. Ich koche eben nicht so gern.) Ich ahne Schlimmes und die Bestätigung lässt nicht auf sich warten.
»Seit der Filmnacht, richtig«, antwortet Lila. »Und schon mal ein bisschen davor.«
Sie wird knallrot. Einen Moment lang habe ich das Gefühl, dass sie sich für ihr Verhalten schämt. Wobei das auch kein Trost ist. Ich atme schwer. Genauso hat sich das heute Morgen in meinem Traum angefühlt. Ich glaube, ich falle in einen unendlichen Abgrund.
Rob steht da, ein cooler Typ mit einem Traumbody, sagt nichts und lächelt selbstgefällig. Ich habe den Eindruck, dass er die Situation sogar genießt. Er ist ein Mann, um den sich gerade zwei Frauen zanken – scheinbar fühlt sich das großartig an. Ich nehme all meinen Mut zusammen.
»Lila, ich glaube, Rob hat uns ausgenutzt«, sage ich. »Ihn musst du rausschmeißen, nicht mich.«
Sie lacht hysterisch. »Bemüh dich nicht, Rosa. Du hast verloren.«
So langsam realisiere ich, dass sie es wirklich ernst meint.
Seit ich Orakelsprüche lese, gibt es anscheinend keine Situation, aus der ich nicht als Verliererin hervorgehe. Das war sie nun also, meine ›Überraschung‹ à la Glückskeks. Nachdem ich schon meinen Job losgeworden bin, muss auch noch meine große Liebe dran glauben. Und eine Wohnung brauche ich dann auch nicht mehr. Wozu auch? Schließlich passt alles, was ich besitze, in drei lumpige Koffer.
So etwas nennt man wohl ›vor den Scherben seines Lebens stehen‹.
»Ich gehe dann mal«, sage ich und wende mich ab.
Ich hoffe immer noch, dass sie mich aufhalten, mich umarmen und mir sagen, dass
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