Glückskekssommer: Roman (German Edition)
glaube, ich bin ein guter Mensch! Aber manchmal passt mir das nicht. Mal ehrlich, wer will heute noch gut sein? Das ist doch völlig aus der Mode gekommen. Schneller, größer, hübscher, reicher … das ja. Aber gut, vielleicht sogar besser als andere? Nein, wirklich nicht.
Ich bin da eigentlich auch nur so reingerutscht. Wie Evan Allmächtig in diesem Hollywoodfilm, der, weil Gott es so wollte, sein altes Leben aufgeben und eine Arche bauen musste. Der arme Mann hat mir manchmal ziemlich leid getan. Er hatte nämlich gar keine Lust, sein Leben zu ändern, und deshalb musste Gott laufend den Holzhammer nehmen.
Mir geht es fast genauso. Mein altes Leben ist irgendwie weggeschwommen. Ich mache jede Menge Sachen, die vor Kurzem überhaupt noch nicht auf dem Plan standen. Zum Glück wächst mir wenigstens kein langer, weißer Bart.
Wenn ich ehrlich bin, muss ich feststellen, dass ich auch eine Menge gewonnen habe. Ein paar wunderbare neue Freunde nämlich. Deshalb fühlt sich das Gut-Sein, auch wenn es anstrengend ist, irgendwie gut an.
Früher – also bis vor ein paar Wochen – war ich ziemlich egoistisch und faul, nur fixiert auf mich und meine Mode. Ich habe mich bedienen lassen und keinen Handschlag mehr als nötig gemacht. Wenn jemand in meiner Nähe unglücklich war, habe ich das überhaupt nicht mitgekriegt. Vielleicht sollte ich das jetzt nicht sagen, aber es lebte sich ganz bequem so.
Heute darf ich mich Arbeitsbiene, Haushaltsperle und Beziehungsratgeberin nennen. So schnell kann sich das Leben ändern. Vicki würde, was geschehen ist, notwendige Veränderungen oder fällige Zufälle nennen.
Ich nenne es einen verrückten Glückskekssommer!
Seit ich vor ein paar Wochen den ersten Orakelzettel in der Hand gehalten habe, hat sich mein Leben um 180 Grad gewandelt. Und das ist auch gut so. Eigentlich.
Allerdings ist mir das Ratgeben in Beziehungsfragen noch ein wenig suspekt. Ich will nämlich nicht zu den Menschen gehören, die anderen weiterhelfen, aber in eigenen Liebesangelegenheiten komplett versagen. Aber auch die Rolle habe ich mir nicht selbst ausgesucht. Es kam über mich und zwar so:
Gestern mitten in der schönsten Glückskeksschlacht mit Vicki klingelte endlich mein Handy. Ich hätte es beinahe nicht gehört, weil die Kekskrümel unter unseren Füßen so knackten. Mit vollem Körpereinsatz stürmte ich ins Schlafzimmer. Ich warf mich auf mein Bett, um das Handy noch vor Abbruch des Klingelns zu kriegen. Sebastian! Endlich!
Ich hätte auf mein Display gucken sollen. Dann hätte mich die Stimme, die ich plötzlich hörte, nicht so umgehauen. Besser gesagt, ich hätte sie gar nicht gehört, weil ich nämlich nicht abgenommen hätte. So kam, was kommen musste.
»Ja?«
»Rosa? Äh, hier ist Robert. Ich wollte dich mal sprechen, irgendwie.«
Mein Gehirn war plötzlich leer und kalt wie eine Eiswüste. Wer war da verdammt noch mal am anderen Ende der Leitung? Ich musste mich verhört haben.
»Bist du noch sauer auf mich?«
Ich hatte mich nicht verhört. »Rob? Bist du das wirklich?«
Mein Verstand erreichte langsam wieder Betriebstemperatur, war aber noch eingeschränkt gebrauchsfähig.
Das ist Rob. Das ist Rob. Das ist Rob.
›Frag ihn, was er will‹, befahl ich mir selbst. »Was willst du?«
»Ich kann auflegen, wenn du willst«, sagte er. »Ich hätte wohl gar nicht anrufen sollen.«
Richtig! Das hätte er nicht tun sollen. Aber, wo er schon mal dran war …
Meine grauen Zellen liefen sich jetzt richtig warm und produzierten einen großen Schwall Neugier.
»Was ist los, Rob?«, fragte ich mit Wort-zum-Sonntag-Stimme. »Du kannst mir alles sagen.«
Schweigen. Da hatte ich wohl eine Spur zu dick aufgetragen.
»Nun, raus mit der Sprache, Mann«, drängelte ich. Mein Vorrat an Gutmenschentum ist nicht unbegrenzt. Der Fernsehpfarrer redet schließlich auch nur fünf Minuten.
»Es ist wegen Lila«, antwortete Rob zögerlich. »Ich … Ich habe einen großen Fehler gemacht und jetzt weiß ich nicht, wie ich es wieder gutmachen soll.«
Und deshalb rufe ich mal die doofe Rosa an, die ja zu nichts weiter nütze ist, als die Beziehungen anderer Menschen zu kitten, ergänzte ich innerlich. Zuerst kommt sich Lila bei mir ausheulen und nun auch noch Rob. Habe ich ein Schild am Kopf? Eheberaterin oder so? Ich widerstand dem Drang, mein Handy aus dem Fenster zu werfen, nur mit Mühe.
Aber halt, bevor ich Rob verbal den Kopf waschen konnte, fiel mir ein, dass er ja gar nicht wissen
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