Glückskekssommer: Roman (German Edition)
heute weitaus lieber gewesen. So eines, wie Vicki es mal wieder zieht.
»Können wir tauschen?«, frage ich.
Ich halte ihr mein Sprüchlein hin. Sie schüttelt den Kopf und steckt ihren Zettel zufrieden lächelnd in eine schöne, alte Teebüchse, die sie bestimmt von ihrem elefantenreitenden Onkel hat.
»Meine Schatzkiste«, sagt sie grinsend.
Sie ist so entzückend. Wie konnte ich auch nur eine Zehntelsekunde überlegen, sie wegen Lila im Stich zu lassen?
»Ich geh dann mal schlafen«, verabschiedet sich Vicki. Dann bleibt sie doch neben mir stehen und legt mir eine Hand auf die Schulter. »Was ist los mit dir?«
»Nichts.« Ich kann Vicki jetzt nicht erzählen, dass ich erstens: wegen Lila die Verabredung mit Basti verpasst habe, zweitens: unsere Freundschaft vor Lila verheimlicht und drittens: ihren ›Porno-Schinken‹ nicht als lesenswert verteidigt habe. Zusammenfassung: Wie immer habe ich nichts ausgelassen, um mein privates Chaos noch ein bisschen zu vergrößern. Vicki soll also lieber ins Bett gehen.
Ich werde warten, bis Basti anruft. Und wenn ich nie wieder schlafe, die nächste Möglichkeit mit ihm zu sprechen, werde ich bestimmt nicht verpassen.
Ich werfe Vicki eine Kusshand zu, als sie geht. »Schlaf schön.«
Dann brühe ich mir einen Tee auf, zünde eine Kerze an und platziere mein Handy direkt neben meiner neusten Illustrierten. Vorher muss ich allerdings die gesammelten Glückskeksverpackungen zur Seite räumen. Das geöffnete Päckchen fällt vom Tisch und acht Kekse verteilen sich auf dem Boden.
Ich überlege. Es ist fast Mitternacht. Eigentlich könnte ich schon mal einen Spruch für morgen vertragen. Oder? Ich will zwar nicht heiraten, verunsichert bin ich aber trotzdem.
Irgendwann gegen drei Uhr nachts taumele ich in mein Zimmer. Ich kann nicht mehr. Mir fallen pausenlos die Augen zu. Ich lege mein Handy auf das Kopfkissen und kaum liege ich daneben, bin ich auch schon eingeschlafen.
*
Ein Schrei weckt mich.
»Was ist denn hier passiert?« Ich springe aus dem Bett und renne in die Küche, aus der ich Vicki rufen höre.
»Ich fasse es nicht«, sagt sie perplex.
Ich auch nicht. In der Nacht muss das Krümelmonster dagewesen sein. Der ganze Fußboden ist mit Glückskeksbrocken übersät. Dazwischen liegen die kleinen Plastikhüllen und, auf dem Tisch, fein säuberlich die Zettel mit den Sprüchen. Vicki steht barfuß im Chaos und schaut mich an, als ob ich dringend zum Psychiater müsste.
»Das ist nicht dein Ernst, oder?«
»Entschuldige«, sage ich reumütig. »Jetzt habe ich dir den ganzen Spaß verdorben.«
»Du hast alle Kekse aufgemacht …«
Vicki guckt wie ein Kleinkind, dem man gerade sein Lieblingsspielzeug weggenommen hat. Oh je, hoffentlich fängt sie jetzt nicht an zu weinen. Ich wollte sie eigentlich gar nicht alle aufmachen. Nur einen für den nächsten Tag. Aber dann hat Basti nicht angerufen und in der Illustrierten war mein Horoskop so blöd und irgendwie war es lustig, alle 98 Glückskekse auszuwickeln, die Kekshülle über die Schulter zu werfen und genüsslich den Spruch zu lesen.
Ich habe keine Angst mehr vor Glückskeksen! Denn ich habe sie durchschaut.
»Vicki, stell dir mal vor«, sage ich hastig. »Manche Sprüche kommen laufend vor. Hier! Fünfmal der Satz mit dem besonderen Geschenk … und da …«
Plötzlich hält sich Vicki den Bauch, krümmt sich und gibt einen unterdrückten Laut von sich. Jetzt kriegt sie meinetwegen Koliken. Was habe ich nur angerichtet!
»Vicki, oh mein Gott.« Ich stürze zu ihr hin und nehme sie in den Arm. Ihr ganzer Körper bebt. Mir steigen schon wieder die Tränen in die Augen, bis ich merke, dass sie lacht. Vicki schüttelt sich und kriegt vor lauter Lachkrämpfen kaum Luft.
»Rosa«, japst sie. Sie zeigt auf das Chaos. »Du bist irre, und ich liebe dich.«
»Ach ja?« Ich bin noch nicht sicher, wie ich mich jetzt fühle. Den Spaß habe ich ihr zum Glück doch nicht verdorben. Als ein Keks geräuschvoll unter Vickis Fuß zerbricht und die Krümel zwischen ihren Zehen kleben, fange ich auch an zu lachen.
Vicki kniet sich hin und wirft mit Keksbrocken nach mir. Ich schnappe mir die Zettel vom Tisch und lasse sie über ihren Kopf rieseln. Einen Spruch zweige ich allerdings unauffällig in meine Nachthemdtasche ab – für später als Tagesmotto.
Und dann, mitten im größten Chaos, klingelt endlich mein Handy.
Glückskeks 12
Setzen Sie sich ein Ziel! Selbstvertrauen zeigt Ihnen den Weg.
Ich
Weitere Kostenlose Bücher