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Glückskind (German Edition)

Glückskind (German Edition)

Titel: Glückskind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Uhly
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Lachen.
    Als Felizia müde wird, packen die Tarsis ihr Tablett wieder voll und gehen nach nebenan. Hans legt sich mit ihr auf sein Bett und bald sind beide eingeschlafen.
    Hans träumt. Er steht wieder in dem roten Gebirge, in der Ferne türmt sich wieder der Fudschijama und vor ihm befindet sich wieder die verschlossene Holztür im Fels. Aber jetzt lässt sie sich öffnen. Da ist ein Fahrstuhl. Er steigt ein und drückt auf E, das steht für Ende und das erscheint ihm ganz logisch.
    Der Fahrstuhl sinkt zuerst langsam und dann immer schneller, bis er scheinbar ungebremst in die Tiefe rast. Hans bekommt Angst, er drückt auf Knöpfe, um den Fahrstuhl anzuhalten. Plötzlich wird er wieder langsam und stoppt. Die Tür schiebt sich zur Seite, doch dahinter ist nackter, grauer Fels. Das rote Gebirge ist von innen gar nicht rot. Hans tastet den Fels ab, aber dort ist keine Fuge, nichts, was auf eine verborgene Tür hinweist. Er ist verloren, nie wieder wird er aus dem Gestein herauskommen. Er gerät in Panik, er versucht, die Felswand mit bloßen Händen aufzukratzen. Davon werden seine Finger blutig. Sein Blut färbt den grauen Stein rot. Es ist dasselbe Rot, das man von außen sieht. Wie kann das sein, denkt Hans. Sein Traum dreht sich jetzt nur noch darum: Wie kann das sein, wie kann das sein, wie kann das sein? Seine Worte sind ein Karussell und Hans sitzt auf dem Wie, das sich hochbäumt wie ein Pferd. Er fährt und fährt und fährt, immer schneller geht die Fahrt – wie kann das sein wie kann das sein wie kann das sein? Das Karussell beginnt zu kreischen, es geht so schnell, gleich wird es auseinanderbrechen. Jetzt beginnt er zu schreien vor Furcht, als wäre er ein kleiner Junge. Irgendjemand muss das Karussell anhalten! Er schaut sich um. Dort, am Rand des Karussells, steht ein Mann, er sieht ihn nur schemenhaft, das Karussell ist so schnell, dass Hans sein Gesicht nicht erfassen kann, er konzentriert sich auf den Mann, der dort steht, sein Kopf wirbelt herum, um die rasende Rotation des Karussells auszugleichen, immer wieder. Dann endlich sieht er ihn. Es ist sein Vater. Er steht dort, am Rand des Karussells, und lächelt ihm zu. Hans schreit.
    Er erwacht. Es ist später Nachmittag. Die Sonne lugt unter der Wolkendecke hervor, bis zu ihrem Untergang gibt es noch ein paar Minuten lang rötlich goldenes Herbstlicht.
    Felizia liegt neben Hans und ruft ihn an. Sie hat sogar nach ihm geschlagen, damit er endlich wach wird.
    »Oh, mein kleines Mädchen, das tut mir leid!«, sagt Hans verschlafen. »Du bekommst sofort etwas, sofort!« Mit Felizia im Arm eilt er in die Küche. Er bereitet eine Milch zu, dann setzt er sich mit ihr auf einen Stuhl. Während sie geräuschvoll trinkt, denkt Hans: Deine Mutter ist bald eine Mörderin, du Arme! Dabei habe ich doch uns alle drei gerettet, als ich dich fand. Er seufzt: »Aber ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll, damit sie nicht ins Gefängnis gehen muss.« Und damit ich dich nicht verliere, denkt er, aber das will er lieber nicht laut sagen. Felizia trinkt und beobachtet ihn aufmerksam.
    Nachdem sie getrunken hat, strahlt sie Hans an, zeigt mit dem Arm hierhin und dorthin und gibt eine Menge Laute von sich. Hans sagt zu allem »Ja« und »Aber gewiss doch« und »Das finde ich auch« und »Was du nicht sagst!«.
    So unterhalten sie sich eine ganze Weile. Erst als Felizia ihm das ganze Zimmer erklärt hat, schweigt sie und schaut aus dem Fenster, wo die Unterseite der Wolkendecke von der untergegangenen Sonne angestrahlt wird und rosa leuchtet.
    »Sieh nur, Felizia«, sagt Hans, »wie wunderschön die Welt ist!« Nur das Leben, denkt er, das ist hart. Felizia blickt ihn an, als hätte sie verstanden. Und wer, wenn nicht sie, kann das verstehen, denkt Hans. Dann schauen sie gemeinsam aus dem Fenster, bis der Tag zu Ende geht.
    Ein kurzer, ereignisloser Tag war das. Aber es war auch ein Tag, der Hans deutlich gemacht hat, dass sie nicht immer bloß in der Wohnung sein können. Er fühlt sich beengt und vermisst die frische Luft. Ausgerechnet er, der es so lange vermieden hat, unter Menschen zu gehen. Aber es geht ja gar nicht mehr um die Menschen, seit er seinen Frieden mit ihnen gemacht hat. Es geht nur noch darum, eine schöne Zeit zu verleben. Wenn er daran denkt, dass sie noch jahrelang so leben müssen, immer in Furcht vor den Balcis und Lindners und überhaupt vor allen, die ihnen nahe kommen, dann weiß er, dass das gar nicht funktionieren wird. Felizia wird

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