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Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Titel: Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherer
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eingerichtet haben.
    Ich will wirklich niemanden verurteilen, der einen sozialversicherungspflichtigen Anstellungsvertrag hat – ganz im Gegenteil. Jeder, der das, was er tut, gerne tut, soll es tun. Sorgen mache ich mir nur um diejenigen, die etwas tun, obwohl sie es nicht tun wollen. Ich bin mir nicht sicher, ob man die Unzufriedenheit in einem Lebensbereich durch die Zufriedenheit in einem anderen kompensieren kann. Ist privates Glück möglich, wenn man sich vom Selbstwertgefühl her als unglücklich oder gar als zweitklassig eingestuft hat? Wahrscheinlich täuschen wir uns darüber hinweg. Ich halte das für vollkommen legitim und halte mich selbst für keinen Deut besser. Ich will lediglich zeigen, dass wir in einem Selbsttäuschungssystem leben und uns gut darin eingerichtet haben.
    Ein Beispiel: Wir alle müssten eigentlich dankbar sein, dass es viele Raucher gibt. Das spült dem Fiskus viel Geld zu, weltweit werden mit der Tabaksteuer knapp 140 Milliarden Euro abgeschöpft. Das ist aber nur die halbe Rechnung. Die Kosten, die die Raucher durch ihre Folgeerkrankungen im Gesundheitswesen verursachen, und die Kosten von Krankheitsausfällen und Arbeitsunfähigkeit der Raucher müssen ja gegengerechnet werden. Gut. Das sind aber auch nur drei Viertel der Rechnung. Vergessen wird immer, dass Raucher eine um ungefähr acht Jahre geringere Lebenserwartung haben und deshalb unsere Rentenkasse enorm entlasten. Und zwar um mehr |91| als sie die Krankenkassen kosten. Unterm Strich ist das Rauchen ein Segen für die öffentlichen Finanzen, so zynisch das auch klingt. Und was ist das Rauchen anderes als ein ungelöstes Problem auf der individuellen Ebene? Als eine permanente Selbsttäuschung? Jede Zigarette ist ein Sonderangebot des Lebens, machen wir uns nichts vor!
    Ja, ich glaube, wir brauchen immer noch unsere Täuschungssysteme. Wir sind noch nicht so weit. Solange wir es nicht gelernt haben, Situationen korrekt zu bewerten, solange bleiben wir weiter auf der Anfängerspur, die Profiteure unserer Problemscheu reiben sich weiterhin die Hände und wir sind weiterhin permanent enttäuscht.
    Das Ende der Täuschung
    … aber eigentlich ist eine Enttäuschung nichts anderes als das Ende einer Täuschung.
    Probleme sind also gut – aber nur, wenn man sie löst. Enttäuschungen sind auch gut – aber nur, wenn man Schlüsse daraus zieht. Zwar sehen die meisten Menschen in jeder Enttäuschung das Ergebnis eines wiederholten Täuschungsmanövers des Lebens, was sie mehr und mehr frustriert, aber eigentlich ist eine Enttäuschung nichts anderes als das Ende einer Täuschung. Und darüber sollte man sich eigentlich freuen.
    Das ist natürlich leicht gesagt. Ich bin selbst ja auch öfter enttäuscht. Und in diesen Momenten freue ich mich natürlich überhaupt nicht. Meine Enttäuschungen fühlen sich meistens sogar an wie abgrundtiefes Unglück. Dass sie gar kein Unglück sind, sondern das Ende einer schlechten Phase und die Chance auf den Beginn einer besseren, wird mir immer erst hinterher klar. Wenn überhaupt.
    In den Momenten der Enttäuschung ärgere ich mich darüber, dass manches nicht so funktioniert hat, wie ich mir das ausgedacht hatte. Darüber, dass Leute, auf die ich mich verlassen hatte, etwas |92| falsch gemacht haben. Darüber, dass die Umstände anders sind als diejenigen, die mir in die Karten gespielt hätten. Aber das sind alles nur Vorwände, um ein wenig das Opfer zu spielen. Das halte ich nie lange durch. Irgendwann komme ich dann immer an den Punkt, an dem ich mich am allermeisten über mich selbst ärgere.
    Manchmal bin ich beispielsweise sauer über den irren Millionen-Deal, den ich mit meinen Eltern gemacht habe. Aus einer bestimmten Perspektive betrachtet, war das die größte Dummheit, die ich jemals begangen habe. Es waren ja nicht meine Schulden. Warum mussten sich meine Eltern mit der Immobilie auch so sehr verspekulieren? Als ich die Schulden noch am Hals hatte, gab ich ihnen oft die Schuld an meinem Problem. Denn 5 Millionen Schulden für einen einzelnen Menschen sind definitiv ein Problem. Ich war oft frustriert. Doch indem ich ihnen dann die Schuld an meiner Misere gab, gab ich ihnen in Wahrheit die Macht. Ich machte sie damit zu den Bestimmern über mein Leben. Ich stellte mich machtlos und ermächtigte andere. So ist das mit der Schuld. Wenn wir andere anklagen, dem legen wir unser Leben in deren Hände: Ich bin nicht schuld, ich würde ja, wenn ich könnte. Aber die Umstände lassen es

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