Glueckskinder
kündigte ich an, dass ich gleich etwas Gemeines sagen würde, das richtig wehtäte. Ich fügte aber auch hinzu, dass ich dabei lügen würde. Ich würde also nicht die Wahrheit sprechen, und der Verstand wusste das, konnte es also bewerten. So stand ich inmitten eines Kreises von Paaren, die sich schon lange vergeblich ein Baby wünschten und sagte laut und deutlich: »Männer, die ihre Frauen nicht schwängern können, sind Schlappschwänze!«
Dieser Satz schlug wie ein Blitz ein. Dass er unwahr ist, weiß jeder. Und doch kann ich die Durchschlagkraft selbst jetzt noch beim Schreiben dieses Buches an meinem Schreibtisch spüren.
Und so erging es natürlich auch den Seminarteilnehmern. Ein jeder von ihnen veränderte sofort die Körperhaltung. Ich bat jeden Einzelnen, mir zu sagen, in welchen Körperbereichen sie den damit verbunden Schmerz empfunden haben.
Tatsächlich empfindet jeder Mensch eine solche Schlagkraft in seinen eigenen, individuelleren Bereichen. Bei dem einen werden vielleicht die Ohren heiß, der nächste ballt die Fäuste, ein anderer empfindet einen Schlag ins Gesicht oder direkt in die Magengrube.
Man muss regelrecht Mitleid mit den armen Körperzellen haben. Sie hören den ganzen Tag irgendwelche Worte oder Phrasen und müssen unmittelbar darauf reagieren.
Natürlich ließ ich die Wunscheltern nicht mit ihrem Schmerz dort alleine stehen. Ich beendete diese Übung gerne mit einer weiteren Unwahrheit, oder doch zumindest mit einer Aussage, für deren Wahrheit ich nicht meine Hand ins Feuer legen konnte: »Alles wird gut«, sagte ich laut und deutlich. Und dann wiederholte ich diesen Satz. Ich konnte dabei zuschauen, wie die Körper der Menschen im Kreis sich wieder entspannten und dann allmählich aufrichteten.
Dieser Übung bediente ich mich, um zu veranschaulichen, was für einen Schock allein eine Diagnose auslösen kann oder die unüberlegten Bemerkungen gutmeinender Freunde oder Familienmitglieder. Paare mit einem unerfüllten Kinderwunsch können nicht nur unendlich traurig sein, weil sie sich so intensiv nach einem Baby sehnen, sie sind zumeist darüber hinaus schon unglaublich oft »verwundet« und verunsichert worden. Jede noch so kleine diagnostizierte hormonelle Abweichung von der Norm kann daher für sie schon eine kleine Bedrohung darstellen oder einen Schmerz auslösen, der im Laufe der Zeit mit weiteren Diagnosen immer größer wird. Um diesen Selbstläufer zu stoppen, musste ich zunächst einmal das Phänomen selbst vorführen.
Übertragen in den Alltag finden solche Verletzungen überall statt. An den großen und kleinen Verwundungen der Menschen entlang, aber immer auch mit der Kraft der Worte.
Ein jedes Wort hat seine Wirkung auf unser Gefühlsleben. Einige Worte aber haben eine besonders starke Wirkung auf uns. Da es ausgerechnet solche sind, die wir für gewöhnlich sehr häufig verwenden, sollten wir um deren Wirkung Bescheid wissen. Mit diesem Wissen können wir besser auf uns achten und auch darauf, was wir gesagt bekommen oder selbst als Botschaften aussenden.
Ein liebevoller Umgang miteinander braucht kein »Nein«
Achten wir zunächst selbst auf unsere eigene Wortwahl im Alltag. Streichen wir zuerst das Wörtchen »Nein«, weil dieses vom Unterbewusstsein nicht verstanden werden kann, wie wir schon erfahren haben, und so ein unsichtbares Einstiegstürchen für Manipulation und Verwirrung ist und eine große Distanz zum Glücklichsein schafft. So geht ein »Nein-Signal« einfach durch bis zur Körperzelle und löst dort ein Gefühl aus, das einem kleinen Schmerz gleicht.
Wir erinnern uns: Unser Unterbewusstsein kennt keine Negation. Es kann deshalb zu einem »Nein« auch keine Bilder liefern.
Stellen Sie sich vor, Sie stünden startklar zum Malen vor einer schönen Staffelei und sollten das Wort »Nein« künstlerisch auf die Leinwand bannen. Rasch müssen wir feststellen, dass dies nicht möglich ist. Es ist eine interessante Beobachtung, dass die meisten Menschen sich in dieser Situation ein großes X vorstellen oder einen kraftvollen Querbalken, stellvertretend für den Gedanken: »Hier geht es nicht weiter«, und für das Gefühl einer Ablehnung und das körperliche Empfinden einer Verletzung.
Ein klares Nein hat also eine erstaunliche Wirkung. Es ist machtvoll – und dies nicht nur in unserer Gefühlswelt. Es wird nicht nur vom menschlichen Körper wahrgenommen, sondern auch von Tieren und Pflanzen. Ja, sogar ein Wassertropfen verändert seine
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