Glückspfoten, Ahmed und die ganz große Kohle (German Edition)
gar nichts von dem Vorfall zu erzählen. Was würde die Aufregung im Nachhinein auch bringen? Am Nachmittag wollte sie aber auf jeden Fall mit ihrer Enkelin Äpfel sammeln gehen. Manche Sachen waren einfach so viel wichtiger als diese lästigen Hausaufgaben…
Stolz sandte ich mein literarisches Erstlingswerk also an die mir zugeteilte Studienleiterin, wie das ganz seriös beim Fernstudieren hieß. Und nur fünf Tage später erhielt ich bereits einen Brief, in dem diese pädagogische Fachkraft mir Folgendes mitteilte:
„Sehr geehrte Frau Sellinger,
gerne habe ich Ihre Geschichte zur Einsendeaufgabe 1 Ihres Studiums zur Autorin gelesen.
Sie schreiben mit einer sogenannten „leichten Hand“, es liest sich im ersten Moment auch flüssig und anschaulich in den jeweiligen Schilderungen. Jedoch haben Sie die gestellte Aufgabe, einen Spannungsbogen zu erzeugen, komplett außen vorgelassen. Es gelingt Ihnen somit nicht, den Leser in die Geschichte hineinzuziehen.
Außerdem sollte die Hauptperson, das kleine Mädchen, die zen trale Figur der Geschichte darstellen, Sie jedoch haben die Aufmerksamkeit Ihrer Leser zu sehr auf die Großmutter, die Sie meist sehr salopp als „Oma“ betiteln, was ich stilistisch bedenklich finde, gelenkt. Das von Ihnen eingereichte Manuskript hat die Aufgabe 1 unseres Studienheftes nicht getroffen.
Zudem sollten Sie sich nicht zu tief in die Psyche der von uns vorgegebenen Protagonistin hineindenken, sondern eine lebendige Geschichte entwickeln, die den Anforderungen einer anspruchsvollen Leserschaft, die Sie in Zukunft doch erreichen möchten, entspricht. Hier sind Sie über das Ziel hinausgeschossen, ohne es jedoch überhaupt erlangt zu haben.
Ich hoffe, Ihnen hiermit wertvolle Anregungen für Ihre nächsten Arbeiten gegeben zu haben. Kurzfristig werden wir uns in der nächsten Übung den stilistischen Mitteln zuwenden.
Ein Tipp zu guter Letzt: Versuchen Sie, Ihre zweifellos lebhafte Phantasie so weit im Zaum zu halten, dass sie Ihnen nicht ungezügelt davon galoppiert. Halten Sie sich strikt an die Anweisungen der Lern- und Übungshefte, sie sind von professioneller Seite kreiert und seit vielen Jahren erfolgreich in Didaktik und Methodik.
Nur so erreichen Sie Ihr angestrebtes Ziel und können eine seriöse Autorentätigkeit für Ihre berufliche Zukunft aufbauen.
Wir haben die Erfahrung, Sie jedoch müssen den dazugehörigen Fleiß und den unbedingten Willen aufbringen. Nur so können wir gemeinsam erfolgreich sein.
Mit freundlichen Grüßen
Isolde Herrisch-Kleinmeier
Pädagogische Studienleiterin „Autor/in werden“
Na, da hatte ich mein Fett aber gleich abgekriegt!
Mit meinem offenbar nicht vorhandenen Talent würde ich es wohl nicht sehr weit bringen. Eigentlich war ich durch den Brief und die niederschmetternde Beurteilung meines ersten Schrei bversuchs mehr als am Boden zerstört.
Das fing ja gut an mit meiner Karriere…
Hatten nicht meine besten Freundinnen und Freunde immer wieder betont, wie gerne sie meine Emails lasen, in denen ich mich – neben den aktuellen Ereignissen in meinem kleinen Dasein – auch immer über den Klatsch und Tratsch, den die Welt gerade so bewegte, ausließ? Wie oft hatten sie mich schon gebeten, doch endlich mal ein Buch zu schreiben? Einfach so in die Tasten zu tippen, was mir einfiel, nur so zum Spaß.
Nicht mit der Absicht, in irgendeinem Feuilleton aufzuta uchen. Jahrelang hatte ich mich nicht getraut, überhaupt etwas anderes als Glückwunschkarten oder Emails zu schreiben und jetzt, wo ich endlich den Mut gehabt hatte, etwas zu erfinden und es jemandem zu lesen zu geben, da sollte der Traum vom Schriftstellerleben schon beendet sein?
Bevor alles angefangen hatte?
Das konnte ja wohl nicht sein…
Tatsache war, dass ich danach erst einmal gar nichts mehr schreiben wollte. Stop! Ich muss mich korrigieren. Denn wutentbrannt kündigte ich das Probestudium aus wichtigem Grund, nämlich der pädagogischen Unfähigkeit der Pädagogischen Leiterin. So eine Motivationsbremse mit eingebauter Rechthabemechanik war doch absolut geschäftsschädigend und außerdem – trotz angeblicher Fachausbildung – nicht besser als so mancher Juror auf der Suche nach Deutschlands besten Goldkehlchen…
Völlig ungeeignet zum Loslassen auf zarte Künstler- und Schriftstellerseelen.
Ich empfahl dieser Fernuniversität dringend, ihr Personal mal auf Herz und Nieren zu prüfen und wies im Übrigen darauf
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