Glückspfoten, Ahmed und die ganz große Kohle (German Edition)
große Jubiläumskonzert unter dem Motto „50 Jahre Mariandl und ihr Sepp“ im Bordtheater geplant. Nach einem fünfgängigen, wohlgemerkt bayerischen Dinner im „Bräustüberl“, waren wir gerade noch fähig dazu, uns in die megagroßen Theatersessel fallen zu lassen – und dann hörten wir gefühlte drei Stunden die größten Hits aus fünf Jahrzehnten.
„Das ist aber nicht jeden Abend so?“, wollte meine Mutter schon nach dem ersten Lied wissen. Ich zuckte nur die Schultern. „Sonst lasse ich mein Hörgerät auf dem Zimmer…“, drohte sie an. Klar, diese Musik war nicht mal was für Best Ager. Und wer wollte ernsthaft mitten in der Karibik Dirndl und Lederhosen auf der Bühne sehen und dreimal hintereinander den Mega-Hit „Mein kleines Herzl, das g’hört nur dir, nur dir…“ hören?
Ich hatte mir das irgendwie karibischer vorgestellt.
Danach mussten alle Mann noch zur Seenot-Rettungsübung, vorher holten wir noch unsere Rettungswesten aus der Kabine. Mir war das nur recht. Ich hatte sowieso schon allerschlimmste Befürchtungen, als ich so auf die dunkle See hinaussah, mitten in der Nacht.
Ich hatte Spielbergs legendären „Weißen Hai“ einfach zu oft gesehen. Meine Freundin Sabine ging in dem Sommer, als der Film zum ersten Mal im Kino gelaufen war, nicht einmal mehr im Nidda-Stausee schwimmen…
Der nächste Tag brachte die volle Wahrheit ans Licht: Das Motto lautete „Mier san mier“ – alles war auf Bayern und Weißblau getrimmt. Und wir waren anscheinend die Einzigen, die nicht auf Voralpenmusik und Jodel-Akrobatik standen.
Aus ganz Deutschland – und wahrscheinlich auch aus halb Amerika – waren Fans extra zu dieser Jubiläumskreuzfahrt angereist. Natürlich alle in Tracht! Wie es sich gehörte.
Die Exoten waren wir, die Sellingers.
Und deshalb auch ganz schnell bekannt wie die bunten Hunde. Wann immer wir an einer der maßkrugstemmenden Gruppen Amerikaner, die nicht müde wurden „How are you doing, german Frolleins?“ zu fragen, vorbeikamen, wurde uns das wieder vorgeführt. Meine Mutter noch als Frollein zu bezeichnen, das war wohl ziemlich daneben.
Ein paar andere Lederhosenträger mit Cowboyhut hatten eine andere Variante favorisiert: Tagtäglich wurden wir mit „Guten Tag, Kindergarten, Hofbräuhaus und Miss Mörkel “ gegrüßt.
Fehlte nur noch mein Lieblingswort, der Exportschlager „Schadenfreude“.
Aber die konnte ich selbst nicht mal empfinden, zumal meine Mutter aufgrund der Mischung aus deftiger Knödelkost , ungewohnten Meeresfrüchten, die es in einem Seafood-Gourmet-Restaurant gab, und Weizenbier, das schon nach dem Frühstückschon bei Blasmusik am Pool ausgeschenkt wurde, am zweiten Tage den Aufenthalt im Badezimmer ihrer Suite den Vorzug gegeben hatte.
Nun war ich alleine den an verschiedenen Sonnendeck-Bars festgetackerten Amis ausgesetzt. Die hatten wirklich nichts anderes zu sagen als ihre paar Wörter, die für sie die gesamte deutsche Realität darstellten. Und immer wieder zogen sie die Mundwinkel übertrieben nach unten und machten die weltberühmte Handgeste mit der Raute, wenn ich auf der Bildfläche erschien.
„Miss Mörkel, Miss Mö öörkel!“
Ich war anscheinend zum Inbegriff der humorlosen Deu tschen geworden...
Und im Gegensatz zum Festland war mir hier an Bord jegliche Möglichkeit zur Flucht verwehrt – wir saßen sozusagen ja alle im selben Boot.
Gefangen auf dem Luxusdampfer.
Und täglich grüßten „Mariandl und ihr Sepp“, denen vor lauter Singen und Lachen und Gute-Laune-Verbreiten schon fast die faltigen Gesichtszüge eingefroren waren.
Irgendwie taten sie mir fast schon leid.
Künstler gehen halt fast nie in Rente, sie bekommen meistens auch keine ausgezahlt. Aber im Gegensatz zu Herrn Heesters, der im dreistelligen Alter noch auf der Bühne stand, waren die Zwei vom Bayernduo mit Anfang siebzig eigentlich noch junge Hüpfer.
Als es mir eines Abends dann einmal zu bunt geworden war mit dem blöden Miss-Mörkel-Gejohle, habe ich einfach „Obama, Guantanamo, NSA, CIA and John Wayne“ zurückgegiftet.
Das fanden die sonst so überaus lustigen US-Amerikaner dann gar nicht mehr lustig. Von da an hieß ich nur noch „Miss German Humour“, und das klang überhaupt nicht mehr nett.
Man würdigte mich keines Blickes mehr, sondern lästerte nur noch ohne mich direkt anzusehen. Ich wusste gar nicht, wie doof Leute im Urlaub sein konnten…
Wahrscheinlich waren es Manager auf irgendeiner
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