Glücksregeln für den Alltag
aufzulösen. Ich begriff, dass er vermutlich deshalb so oft betonte, es sei nicht leicht, den Geist zu üben und die eigenen Einstellungen zu modifizieren und man dazu wiederholte Anstrengungen auf sich nehmen muss. Und das braucht Zeit. Damit diese Art „analytischer Meditation“ gelingt, muss man über die neue Sichtweise, mit der man die eigene Situation anschauen kann, tief und nachhaltig nachdenken. Man muss voll und ganz davon überzeugt sein, dass diese alternative Perspektive der Wahrheit entspricht. Ansonsten besteht die Gefahr, dass man dieses Denken lediglich zum Rationalisieren benutzt, das letztlich unwahrhaftig ist. Wie die „sauren Trauben“, sozusagen. Nach dem Motto: „Was macht das schon? Ich wollte diese Stellung im Grunde ohnehin nicht.“ Wir streben also nach einer Beförderung und ziehen den Kürzeren. Und wir wünschten sie uns doch so sehr, jede Faser unseres Wesens sagt uns, dass wir - abgesehen von der besseren Bezahlung - viel glücklicher sein werden, wenn wir eine wichtigere Position einnehmen.
Wie überzeugen wir uns also selbst - trotz aller vernünftigen Zweifel - davon, dass der angestrebte Job uns nicht unbedingt glücklicher machen wird? Nun, indem wir auf das Offenkundige schauen. Indem wir uns fragen, ob wir aufgrund unserer letzten Beförderung glücklicher geworden sind, oder indem wir beobachten, ob Menschen in einer höheren Position wirklich glücklicher sind. Wir können uns auch den wissenschaftlichen Nachweis anschauen. Dr. Robert Rice, ein erfolgreicher Wissenschaftler auf dem Gebiet „Zufriedenheit bei der Arbeit“, führte zusammen mit einer Forschergruppe an der Universität von Buffalo eine Studie durch, die zu überraschenden Ergebnissen kam. Entgegen ihrer Erwartung fanden sie heraus, dass Menschen in höheren Positionen nicht glücklicher im Leben sind als Menschen in weniger wichtigen Positionen. Dieses Ergebnis ist durch eine ganze Reihe ähnlich groß angelegter Studien bestätigt worden, die zeigen, dass zwar die Arbeitszufriedenheit mit der Zufriedenheit im Leben zusammenhängt, die spezifische Art der Arbeit jedoch - das heißt, das Prestige, das mit der Tätigkeit verbunden ist, oder die Tatsache, ob jemand Arbeiter oder Angestellter ist - das allgemeine Lebensglück nur wenig beeinflusst.
Es gibt noch einen weiteren Grund, warum es manchmal ein langer und schwieriger Prozess ist, unsere Einstellungen und Ansichten zu modifizieren und unsere gewohnte Wahrnehmung der Welt sowie die lieb gewordenen Interpretationen von bestimmten Situationen oder Ereignissen zu verändern: Letzten Endes geben viele Menschen ihr Elend nur ungern auf - ein irritierender und verblüffender Verhaltenszug, den ich in meiner psychotherapeutischen Arbeit jedoch immer wieder beobachtet habe. Wie schlecht sich Menschen auch fühlen mögen, für viele liegt eine Art perverses Vergnügen in der selbstgerechten Empörung, die sie empfinden, wenn sie ungerecht behandelt werden. Wir halten an unserem Schmerz fest, tragen ihn wie eine Auszeichnung, er wird ein Teil von uns, und wir sträuben uns, ihn loszulassen. Denn unsere ureigene Art, die Welt zu sehen, ist uns zumindest vertraut. Solche gewohnheitsmäßigen Reaktionen loszulassen - wie destruktiv sie auch sein mögen —, ist mit Angst verbunden und oft bleibt diese Angst auf einer tiefen, unbewussten Ebene bestehen. Und zudem bringt es natürlich noch sekundäre Vorteile mit sich, an unserem Groll, unserem Neid und unserer Unzufriedenheit festzuhalten. Denn unser ständiges Klagen trägt dazu bei, bei anderen Menschen Sympathie und Verständnis zu wecken. Oder zumindest meinen, hoffen wir das. Manchmal funktioniert es - wenn unsere Freunde oder Kollegen sich mit einem Katalog ihrer eigenen Beschwerden anschließen. Und man kann sich sehr miteinander verbunden fühlen, wenn man ein regelrechtes Festival veranstaltet, bei dem man die Ungerechtigkeiten des Lebens und die Sünden seiner Chefs feiert. Doch auch wenn unsere Klagen auf äußere Anzeichen von Sympathie stoßen, werden diejenigen, die eigene Probleme zu bewältigen haben, sehr wahrscheinlich mit innerem Arger darauf reagieren.
Ich dachte über die Schwierigkeit nach, unsere Ansichten wirklich zu ändern und in einer neuen Art und Weise auf schwierige Situationen zu reagieren, und bemerkte: „Das sind gewiss alles gute und praktische Vorschläge, und dennoch ist solches Denken vielleicht nicht für jeden ein Trost.“
„Das ist wahr“, räumte der Dalai Lama ein,
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