Glücksregeln für den Alltag
herrschen, die Arbeit zweifellos zu einem Alptraum machen kann. Doch einer Gallup-Umfrage zufolge sind die Amerikaner im Allgemeinen mit den sozialen Aspekten ihres Jobs eher zufrieden als mit der erhaltenen Anerkennung. Viele Menschen betrachten ihr Gehalt oder ihren Lohn als objektiven Maßstab dafür, inwieweit sie von ihrem Arbeitgeber geschätzt werden. Aber in der heutigen Gesellschaft repräsentiert das Gehaltsniveau des Einzelnen weit mehr. Wie viel Geld ein Mensch verdient, kann auch eng damit Zusammenhängen, wie jemand sich selbst einschätzt; unser Selbstwertgefühl kann davon abhängen.
Wie der pensionierte Vizepräsident eines großen Börsenmaklerbüros mir einmal anvertraute: „Dreißig Jahre lang war ich ein absoluter Spitzenmakler, ich war ganz oben. Es gab Tage, da konnte ich Millionen Dollar für meine Klienten verdienen, Zehn-, oder sogar Hunderttausende für mich selbst. In einem Jahr konnte ich das Geld der Kapitalanleger um das Drei-, Vier-, Fünffache vermehren. Aber das Problem war, dass es natürlich auch andere Tage gab, an denen ich genauso viel verlieren konnte. Dreißig Jahre lang sprang ich also auf und nieder wie ein Basketball: In den Zeiten, in denen ich auf der Gewinnerseite stand, war ich in einer unglaublich euphorischen Stimmung. Ich hatte das Gefühl, ich könnte nichts falsch machen, und meine Klienten, die reich wurden, überschütteten mich mit Lob, sagten mir, ich sei ein wahres Finanzgenie. Und natürlich fand ich das auch - ich war ganz und gar davon überzeugt, dass ich ihr Lob verdiente, dass ich der cleverste Mann auf der Welt sei. Und in diesen Zeiten verhielt ich mich anderen Menschen gegenüber ungeduldig, geringschätzig und intolerant. Doch es gab auch die anderen Zeiten, die schwierigen Zeiten, wo die Leute, für die ich arbeitete, Geld verloren, ja sogar Pleite gingen. In diesen Zeiten verfiel ich oft in schwere Depressionen; ich schämte mich, und manchmal blieb ich einfach zu Hause und betrank mich - was die Dinge natürlich nicht besser machte. Ich kam mir dann vor wie ein totaler Versager, wie ein Dummkopf, und fürchtete mich sogar davor, meinen Klienten zu begegnen. Ein paar Mal ging das tatsächlich so weit, dass ich Selbstmordgedanken hatte.“
Für die meisten ist der Zusammenhang zwischen der Höhe des Verdienstes und der Selbstachtung zwar nicht so extrem ausgeprägt wie für diesen Börsenmakler. Aber das Beispiel veranschaulicht ein wichtiges Prinzip: Wenn wir etwas Äußeres zum Maßstab unseres inneren Wertes machen - ganz gleich, ob es die Menge des Geldes ist, die wir verdienen, oder die Meinung, die andere von uns haben, oder der Erfolg eines Projekts, an dem wir arbeiten -, werden wir mit Sicherheit früher oder später unter den unvermeidlichen Veränderungen des Lebens leiden. Schließlich hat Geld es so an sich, dass es kommt und auch wieder geht; also ist es eine unsichere Quelle für unsere Selbstachtung. Es ist als Fundament zu brüchig, als dass man die eigene Identität darauf aufbauen könnte.
Sozialwissenschaftlichen Untersuchungen zufolge betrachtet dennoch etwa ein Drittel aller amerikanischen Arbeitnehmer -ganz gleich, welche Art Arbeit sie verrichten - die finanzielle Entlohnung als primären Zweck ihrer Arbeit, als wichtigsten Aspekt ihres Jobs; welche Tätigkeit sie verrichten, ist damit für sie zweitrangig. Diese Menschen sind ganz besonders anfällig für Ressentiments und Unzufriedenheit, wenn sie das Gefühl haben, sie würden nicht angemessen entlohnt.
Daher konnten wir in unseren Gesprächen über Arbeit und Jobs das Thema Geld nicht vermeiden, und ich war neugierig, was der Dalai Lama darüber dachte.
„Es wäre gut, sich nun dem Thema Geld zuzuwenden“, begann ich. „Natürlich ist es ein weites Feld, aber in unserem Zusammenhang würde ich gerne erfahren, was Sie ganz allgemein über Geld als primäre Motivation für die Arbeit denken.“
„Gut. Ich glaube, dass für viele Menschen die Arbeit nichts anderes ist als ein Mittel, um Geld zu verdienen“, erklärte der Dalai Lama. „Daran ist nichts verkehrt. Da jeder Mensch zum Überleben in der modernen Industriegesellschaft seinen eigenen Weg finden muss, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, ist diese Einstellung sehr realistisch. Insbesondere wenn der Betreffende eine Familie, vielleicht noch kleine Kinder, hat, die er ernähren muss, hat eine solche Motivation auch etwas Nobles. Doch entsteht daraus ein Problem, wenn die Motivation, Geld zu verdienen,
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