Glücksregeln für den Alltag
Befriedigung wird. Meine Frage ist nun: Haben Sie eine Vorstellung, wie man bei der Arbeit in diesen Zustand kommt?“
„Zunächst einmal, wenn es darum geht, wie Sie Befriedigung in Ihrer Arbeit finden, dann sollte man Folgendes festhalten: Wenn ein Mensch sich in diesem Zustand befindet, in dem er ganz auf eine Sache konzentriert ist, kann er unmöglich in genau diesem Moment Befriedigung darin finden, denn Befriedigung ist ein anderer geistiger Zustand als der Zustand des vollkommenen Vertieft-Seins, den Sie beschreiben.“
„Sie sprechen da einen wichtigen Punkt an“, bemerkte ich. „Tatsächlich hat die Forschung genau dasselbe herausgefunden und festgestellt, dass man einen Menschen, der in diesem Zustand des Flow ist, niemals lächeln sieht, dass er dabei nicht denkt, wie glücklich er doch ist oder wie viel Spaß ihm seine Tätigkeit macht. Das Gefühl der Befriedigung kommt erst später. Da haben Sie Recht. Aber meine Frage lautet dennoch: Kann man, aus Ihrer
Sicht, die Bedingungen schaffen, um bei der Arbeit in diesen Flow-Zustand zu kommen, egal, welche Arbeit man tut?“
Der Dalai Lama dachte einige Sekunden lang nach, dann sagte er: „Viele alte spirituelle Traditionen sehen, wie nutzbringend ein solch konzentrierter Geist ist. Und in einigen dieser Traditionen, wie im Buddhismus, finden wir praktische Anleitungen dafür, wie der Geist gefestigter, ausgeglichener wird und wie man diese Verfassung noch vertiefen kann. Daher halte ich es für hilfreich, die stabilisierende Meditation zu üben 4 . Hierbei wählt man einen Gegenstand und versucht dann, sich darauf zu konzentrieren. Das kann dazu beitragen, eine bessere Konzentration des Geistes zu erreichen und den Betreffenden mit dieser Art der konzentrierten Geistesverfassung vertraut zu machen.“
Der Dalai Lama fuhr fort: „Dann gibt es natürlich noch andere Faktoren, die dazu beitragen, dass man diesen Zustand erreicht. Beispielsweise haben Sie erwähnt, dass der Flow-Zustand entsteht, wenn man mit einer Arbeit beschäftigt ist, die eine Herausforderung darstellt, oder ein Problem löst und dabei die eigenen Fertigkeiten und Talente zum Einsatz bringt. Also hängt es von jemandes Fertigkeiten und Kenntnissen der vor ihm liegenden Aufgabe ab. Dies deutet daraufhin, dass man diesen Zustand intensivieren kann, indem man sich mit der gegebenen Aufgabe oder dem Thema besser vertraut macht. Es kann etwas sein, das man ständig kultiviert, mit dem man sich immer wieder beschäftigt. Dadurch gewöhnt man sich an eine ganz bestimmte Art des Denkens oder eine bestimmte Weise, eine Aufgabe zu tun.
Und noch ein weiterer Faktor sollte erwähnt werden: Ich glaube, man hat bessere Chancen, in diesen Zustand des Flow zu kommen, wenn man ein großes Interesse an der Materie oder der vor einem liegenden Arbeit hat. Im Falle von Gen Nyima-la war es so, dass er ein großes Interesse an den Themen hatte, auf die er sich konzentrierte, und sie ihm sehr vertraut waren.
Aber ich denke, dass dieser Zustand, bei dem man das Gefühl für die Zeit oder sogar für die eigene Identität verliert, in verschiedenen Umgebungen und unter ganz unterschiedlichen Bedingungen entstehen kann. Ich glaube nicht, dass er notwendigerweise mit einer glücklichen oder positiven Geistesverfassung verbunden sein muss. Ich denke, er kann sowohl mit glücklichen als auch mit unglücklichen mentalen Zuständen assoziiert werden. Man kann ja, wenn man etwa vollkommen von Angst überwältigt und wie gelähmt ist, das Zeitgefühl verlieren. Und wenn ich eine Reihe Belehrungen über einen bestimmten Text gebe, wenn ich diese Erfahrung des Lehrens genieße, dann neige ich ebenfalls dazu, das Gefühl für die Zeit zu verlieren. Doch wenn ich auf äußerst schwierige Punkte stoße und ich große Mühe mit meinen Kommentierungen habe, dann mache ich die gegenteilige Erfahrung - dann habe ich das Gefühl, dass die Zeit sehr langsam vergeht. Dieses Gefühl des Verlustes oder der verzerrten Wahrnehmung der Zeit kann also entstehen, wenn der eigene Geist in einem entspannten und heiteren Zustand ist, oder wenn man vollkommen konzentriert ist und sich eingehend mit einer diskursiven Analyse befasst, aber auch, wenn der Geist von eher negativen Emotionen ergriffen ist, wie zum Beispiel von Angst. Eines der offensichtlichsten Anzeichen dafür ist, dass man dann nicht wahrnimmt, was in der unmittelbaren physischen Umgebung geschieht.“
Er fuhr fort. „Beispielsweise kann es Situationen geben, wo man
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