Glücksregeln für den Alltag
kostet. Tatsächlich bietet das Leben viele solcher Momente, die spontan und mühelos entstehen. Dieses Gefühl tiefer Erfüllung kann sich bei verschiedensten Aktivitäten einstellen, praktisch in jeder Umgebung - natürlich auch am Arbeitsplatz.
Vor vielen Jahren erzählte mir einer meiner Chemieprofessoren von einer Erfahrung, die er während der Arbeit gemacht hatte. „Ich war mitten in einem schwierigen, aber interessanten Experiment, das zu meiner Forschungsarbeit gehörte. Nachdem ich ungefähr um zehn Uhr dreißig eine morgendliche Kaffeepause gemacht hatte, stellte ich meine Tasse ab und setzte meine Arbeit fort. Nach - wie es mir schien - fünf oder zehn Minuten kamen einige Studenten ins Labor und stellten mir Fragen. Ich war ganz in meine Aufzeichnungen vertieft, hatte daher keine Lust, meine Arbeit zu unterbrechen, und war ein wenig ärgerlich, dass sie mich störten, wo ich doch gerade erst angefangen hatte und mit den Studenten eigentlich erst in ein paar Stunden, um drei Uhr dreißig, verabredet war. Trotzdem legte ich meine Papiere beiseite und schaute auf die Uhr: Es war kurz vor vier. Ich hatte mehr als fünf Stunden gearbeitet; doch es kam mir vor, als seien nur wenige Minuten vergangen, und ich fühlte mich überhaupt nicht erschöpft. Ganz im Gegenteil, ich war voller Energie. Ich wusste nicht mehr genau, was ich in diesen vergangenen fünf Stunden getan hatte, doch als ich meine Aufzeichnungen durchlas, entdeckte ich, dass ich gewaltige Fortschritte bei einem sehr schwierigen Problem gemacht hatte. Ich war vollkommen in mein Tun vertieft gewesen. Ich konnte es kaum glauben. An jenem Abend empfand ich tiefe Erfüllung und spürte eine ganz bestimmte Art von Energie, die einige Tage lang anhielt.“
Mein Professor hatte exakt den Zustand des „Flow“ beschrieben, obwohl ich den Begriff damals noch gar nicht kannte. Der Begriff „Flow“ wurde zum ersten Mal von dem Psychologen und Sozialwissenschaftler Mihaly Csikzentmihalyi verwendet, der diesen Zustand in den letzten dreißig Jahren eingehend erforscht hat. Er beschreibt einen geistigen Zustand, den die meisten schon hin und wieder erlebt haben. „Im Flow sein“ bedeutet vollkommen in das vertieft sein, was man in diesem Augenblick tut. Der Zustand tritt ein, wenn man vollständig auf die vor einem liegende Aufgabe konzentriert ist. Man kann im Flow sein, während man Basketball spielt, bildhauert, ein mathematisches Problem löst, mit einer geschäftlichen Transaktion beschäftigt ist, auf einen Berg steigt oder einfach mit einem Freund oder Geliebten in ein Gespräch vertieft ist. Im Grunde genommen kann Flow bei jeder Tätigkeit eintreten - sei es bei der Arbeit oder beim Spiel, und ganz gleich, ob es sich um eine körperliche, geistige oder soziale Aktivität handelt.
Der Flow kann also unter sehr verschiedenen Umständen auftreten, doch seine spezifischen Merkmale sind ziemlich einheitlich und konstant: Sie sind bei jeder Aktivität und in jeder Umgebung zu beobachten. Auch sind gewisse Bedingungen erforderlich, damit es zum Flow kommen kann. Er entsteht, wenn wir mit einer Tätigkeit beschäftigt sind, von der wir fühlen, dass sie wichtig, bedeutsam für uns ist, dass sie es wert ist, getan zu werden. Der Flow tritt eher da ein, wo klare Ziele vorgegeben sind und wir ein unmittelbares Feedback über den Fortschritt der von uns ausgeübten Tätigkeit erhalten. Die Aufgabe muss eine Herausforderung darstellen und gewisse Fähigkeiten erfordern, aber es muss auch das richtige Gleichgewicht zwischen der Herausforderung und unseren Fähigkeiten bestehen - Menschen im Zustand des Flow haben das Gefühl, dass ihre Fähigkeiten bei der vor ihnen liegenden Aufgabe voll und ganz zum Einsatz kommen. Das Projekt mag schwierig sein und bestimmte Fertigkeiten verlangen, doch in diesem Moment hat man den Eindruck, es ohne Anstrengung zu bewältigen. Im Zustand des Flow üben wir die Tätigkeit um ihrer selbst willen und nicht wegen möglicher äußerer Belohnungen aus. Die Aufgabe an sich ist lohnend.
„Wissen Sie, ein Grund, warum ich das Thema Herausforderung in der Arbeit zur Sprache gebracht habe, ist der, dass damit ein Begriff zusammenhängt, der heutzutage in der psychologischen Literatur häufig genannt wird, der Begriff des ,Flow‘“, sagte ich zum Dalai Lama. „Die Herausforderung ist einer der Faktoren, die notwendig sind, um zu diesen Zustand zu kommen. Der Begriff taucht häufiger in Abhandlungen über das menschliche Glück
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